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International Syrien-Konferenz in Genf ohne Opposition – was bringt das?

Genf ist bereit für die Friedensgespräche zu Syrien. Es ist ein neuer Anlauf, um nach fünf Jahren Bürgerkrieg die Waffen endlich ruhen zu lassen. Eine wichtige Partei in dem Konflikt nimmt aber nicht am Treffen teil. Das Fernbleiben sei ihr einziges Druckmittel, sagt Syrien-Kennerin Kristin Helberg.

Kristin Helberg

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Legende: Jan Kulke/photoartberlin.de

Helberg ist Nahostkennerin und lebt in Berlin. Sie ist Autorin eines Buches zum Brennpunkt Syrien. Von 2001 bis 2008 berichtete sie für die Radiosender von ARD, ORF und SRF sowie für verschiedene Printmedien aus Damaskus.

SRF News: In Genf hat am Abend die Syrien-Konferenz begonnen. Die wichtigste Oppositionsdelegation, das «Hohe Verhandlungskomitee», hat allerdings angekündigt, nicht nach Genf zu kommen. Was fordert es genau?

Kristin Helberg: Dieses Verhandlungskomitee, zu dem sich vor einigen Wochen in Riad die wichtigsten Oppositionsgruppen und gemässigte wie islamistische Rebellen zusammengeschlossen haben, ist unter starkem Druck. Dies vor allem von zivilen Gruppen im Land und von bekannten Revolutionsfiguren, die sagen, fahrt nicht nach Genf, bis nicht Folgendes erfüllt ist: Die Belagerung und die Strategie des Aushungerns müssen beendet werden. Auch die Bombenangriffe auf Zivilisten müssen aufhören, und politische Gefangene sollen freigelassen werden. Das sind Forderungen, wie sie auch in der UNO-Resolution vom Dezember genannt werden. Das Komitee hat sich entschieden, erst nach Genf zu kommen, wenn ansatzweise etwas davon erfüllt ist.

Ist es für Sie richtig, dass die Opposition ihre Teilnahme an die Erfüllung dieser Bedingungen knüpft?

Die Forderungen sind nicht nur das, was in der UNO-Resolution steht, sondern auch, was jetzt gerade 120 internationale humanitäre Organisationen in einem Appell an die UNO fordern. Darin steht: «Ihr müsst mit euren Konvois vordringen und zu den Menschen gelangen, die abgeriegelt sind und jeden Tag Hunger leiden. Die Bombardierung von Zivilisten muss aufhören.» Hinzu kommt die Forderung, dass die UNO nicht mehr auf Genehmigungen des Regimes warten soll, da sie ja eine Resolution des UN-Sicherheitsrates hat. Steven O'Brien, der Nothilfe-Koordinator der Vereinten Nationen, hat vor ein paar Tagen in New York gesagt, er habe vor mehr als zwei Wochen um Durchlass von Hilfskonvois für 1,7 Millionen Menschen in Syrien gebeten. Nichts davon sei bisher genehmigt worden. Insofern macht es Sinn, den Beginn von Verhandlungen an die Verbesserung der Lage der Menschen zu knüpfen.

Es macht Sinn, den Beginn von Verhandlungen an die Verbesserung der Lage der Menschen zu knüpfen.

Eine Konferenz, bevor diese humanitären Forderungen erfüllt sind, bringt nichts?

Audio
«Eine Konferenz, bevor die Forderungen erfüllt sind, macht keinen Sinn»
aus Rendez-vous vom 29.01.2016.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 42 Sekunden.

Sie macht insofern keinen Sinn, weil man sonst den Anschein erweckt, dass eine politische Lösung auf dem Weg ist, diese aber im Grunde genau wie vor zwei Jahren komplett abgekoppelt wäre von den Ereignissen im Land. Wir können nicht wie vor zwei Jahren für Gespräche zusammensitzen, das Assad-Regime auf der einen Seite, auf der anderen Seite Oppositionelle, die nichts bewirken für die Menschen im Land. Das ist das grosse Problem, das muss sich ändern, deswegen machen diese Forderungen schon Sinn. Es stellt sich die Frage, inwiefern jetzt der Druck auf das Assad-Regime – auch mithilfe Russlands – so erhöht werden kann, dass dieses Regime bereit ist, zumindest Hilfskonvois vorzulassen.

Das «Hohe Verhandlungskomitee» ist ein Oppositionskomitee. Gibt es Alternativen zu diesem – andere Gegner des Assad-Regimes, die diesen Part in Genf erfüllen könnten?

Dieses hohe Verhandlungskomitee ist sehr umfassend, da darin einerseits die nationale syrische Koalition, die in der Türkei sitzt, enthalten ist. Andererseits ist auch die Opposition im Inland darin vertreten; etwa das nationale Koordinierungskomitee für demokratischen Wandel, das von Assad geduldet wird, wie auch die freie syrische Armee – also gemässigte Rebellen – und zwei islamistische Gruppen. Diese wollte Russland eigentlich nicht dabeihaben. Sie sind nun aber immer noch Teil dieses Komitees. Wir haben darüber hinaus die PYD, die Schwesterpartei der kurdischen PKK, die auf Druck der Türkei nicht eingeladen wurde. Das ist fatal, denn die PYD muss Teil dieser Verhandlungen sein, sie muss gerade jetzt in eine syrische Lösung miteinbezogen werden. Denn wenn wir sie jetzt ausschliessen, dann treibt man sie noch viel mehr aus diesem syrischen Konflikt heraus in Richtung mehr Autonomie.

Die Türkei tut sich keinen Gefallen damit, die kurdische PYD draussen zu lassen.

Regierungsvertreter in Genf

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Der Leiter der syrischen Regierungsdelegation, Baschar Dschaafari, ist im UNO-Gebäude eingetroffen, um sich mit UNO-Sondervermittler Staffan de Mistura zu treffen. Das Hohe Verhandlungskomitee der Regimegegner liess weiter offen, ob es an den Gesprächen teilnehmen wird. De Mistura will die Konfliktparteien ohnehin zunächst getrennt treffen.

Das wäre ganz und gar nicht im Interesse Ankaras. Insofern tut sich die Türkei keinen Gefallen, die PYD draussen zu lassen. Es gibt nicht wirklich eine Alternative. Und im Grunde sitzen da heute Abend zunächst nur Regime-Vertreter zusammen.

Bei der Konferenz in Genf teilnehmen sind also vor allem Vertreter des Assad-Regimes. Was verspricht sich das Regime davon?

Das Assad-Regime ist in einer sehr guten Lage, denn es wurde durch die Intervention Moskaus Ende September militärisch gestärkt. Vor allem in den vergangenen Wochen konnte Assad mithilfe russischer Luftschläge wichtige Gebiete zurückgewinnen. Das sind schwere Verluste für die Opposition. Insofern können die Vertreter des Assad-Regimes sehr gelassen nach Genf reisen und erst einmal abwarten, so wie das Regime in den letzten Jahrzehnten Konflikte immer gern ausgesessen hat. Die Opposition befindet sich militärisch in einer schwachen Position. Deshalb ist ihr einziges Druckmittel, gar nicht anzureisen.

Es wird wahrscheinlich darüber verhandelt werden, was für Zugeständnisse man machen kann.

Das Gespräch führte Claudia Weber.

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