In Frankreich ist die Hürde, die rechtsextreme Front National (FN) zu wählen, gefallen. Das liegt nicht allein nur an der strategischen Imagepflege ihrer Chefin. Besonders junge Wähler stimmen für die Partei.
Jugend sympathisiert mit dem Front National
Im Jahr 2002 ging Frankreichs Jugend noch massiv gegen die Front National (FN) auf die Strasse. Auf Transparenten stand ihr Protest sichtbar geschrieben, aus vollem Hals drückten sie ihren Unmut aus.
Denn zum ersten Mal in der Geschichte der Fünften Republik trat mit Jean-Marie Le Pen ein Rechtsextremist zur Stichwahl gegen den gaullistischen Amtsinhaber Jacques Chirac an.
Heute gehören junge Leute zu jener Wählerschicht, die der FN die meisten Stimmen gibt. Unter den 27,73 Prozent der wahlberechtigten Bürger, die am vergangenen Sonntag im ersten Durchgang der Regionalwahlen für die Partei gestimmt haben, stellen laut Zahlen des Innenministeriums die zwischen 18- und 30-Jährigen mit 34 Prozent das Gros der Wählerschaft.
25,4 Prozent der Stimmen bei den Europawahlen im Mai 2014, rund 25 Prozent bei den Kommunalwahlen im März dieses Jahres und nun knapp 28 Prozent beim ersten Durchgang der Regionalwahlen: Zahlen, die Bände sprechen über das Wahlverhalten der Franzosen. Die Front National sei salonfähig geworden, warnte die französische Publizistin Pascale Hugues schon vor mehr als einem Jahr dem deutschen Radiosender Deutschlandfunk. Die Hürde, diese Partei zu wählen, sei niedriger geworden als früher.
«Die Nase voll»
Noch nie haben sich die Franzosen so offen als FN-Wähler geoutet. Sie habe FN gewählt, weil die anderen nichts gemacht haben, zitierte die Zeitung «La Dépêche du Midi» eine Sympathisantin. Alle hätten die Nase voll. Auch auf France Info steht man zu seiner FN-Wahl. Hätte man auf die FN gehört, die schon vor Jahren die Grenzen schliessen wollte, hätten wir keine Terroristen aus Syrien, erklärte ein junger Mann dem Radiosender nach den Wahlen.
Die Partei wurde 1972 von Jean-Marie Le Pen gegründet. Wegen seines Nazi-Vokabulars wurde er im August dieses Jahres endgültig von der Partei ausgeschlossen. Das Exekutiv-Büro bezog sich unter anderem auf seine wiederholten Äusserungen, dass die Gaskammern der Nazis ein «Detail der Geschichte des Zweiten Weltkriegs» seien. Le Pen hat jahrelang mit seinem Antisemitismus, seiner Fremdenfeindlichkeit und seinem Anti-Europäertum schockiert.
Strategiewechsel durch Marine Le Pen
Marine Le Pen hat Anfang 2011 das Ruder des FN an sich genommen. Seitdem versucht sie das Vokabular zu glätten. Als «dediabolisation» (Entdämonisierung) wird die Strategie der Tochter in Frankreich bezeichnet. Einige Beobachter führen die guten Wahlergebnisse darauf zurück.
Doch schon 2002 hat der Front National es in die Stichwahl gegen den damaligen gaullistischen Präsidenten Jacques Chirac geschafft – und da war Jean-Marie Le Pen noch ihr Chef.
Der Front National hat sich bei ihrer Gründung vor mehr als 40 Jahren weder als rechts noch links bezeichnet, sondern als patriotisch, populistisch und souveränistisch. Daran hat sich auch heute nichts geändert. Was sich jedoch geändert hat ist Frankreichs Gesellschaft. Hugues sprach in ihrem Interview mit dem Deutschlandfunk von Politikverdrossenheit. Dazu kommt eine Arbeitslosigkeit, die mit 10,2 Prozent auf ein neues Rekordhoch gestiegen ist und traditionelle Parteien, die für die in Frankreich herrschende Krise keine Lösung finden.