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Ungarische Grenzwächter stehen hinter Rollen von Stacheldraht.
Legende: Die Empörung war gross, als Ungarn Flüchtlinge mit Grenzzäunen stoppte. Inzwischen bauen auch andere EU-Länder Zäune. Keystone

International «Tagesgespräch» aus Budapest: Ungarn und die Grenzzäune

Ungarn war das erste EU-Land, das Flüchtlinge auf der Balkanroute mit Zäunen stoppte. Der ungarische Politiker Gergely Pröhle verteidigt die Haltung seines Landes und kritisiert die Willkommenskultur Deutschlands. Sie sei unverantwortlich, weil sie Illusionen schüre.

Zur Person: Gergely Pröhle

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Gergely Pröhle ist stellvertretender Staatssekretär für Internationale und Europäische Angelegenheiten im Ministerium für Humanressourcen in Ungarn. Früher war er ungarischer Botschafter in Bern.

Im letzten Herbst liess die ungarische Regierung Grenzzäune errichten: Zu gross waren dem Land die Flüchtlingsströme durch sein Land geworden. Wegen des Zauns steckten plötzlich Tausende von Flüchtlingen auf der Balkanroute unter unwürdigsten Bedingungen fest. Das sorgte in ganz Europa für grosse Empörung. Ungarn habe mit dem Zaun seine Pflicht als Schengen-Grenzland wahrgenommen, verteidigt Gergely Pröhle die Abschreckungspolitik Ungarns im Gespräch mit Radio SRF.

Er weist auf die Hunderttausenden Menschen hin, die in Europa unkontrolliert eingereist sind. «Wir haben von ihnen überhaupt keine Ahnung. Wir wissen nicht, mit welchen Absichten sie gekommen sind – ob sie tatsächlich in Not waren, ob sie aus wirtschaftlichen Gründen flüchteten oder ob sie Terroristen sind.»

In Brüssel und Paris sehe man, wohin das führen könne, ist Pröhle überzeugt. Deshalb habe sich Ungarn damals gesagt: «Wenn wir die Freizügigkeit innerhalb des Schengen-Raumes ernst nehmen, dann müssen wir die Aussengrenze schützen und genau kontrollieren, wer zu uns kommt.»

Ungarn hat seine Pflicht als Schengen-Grenzland wahrgenommen.
Autor: Gergely Pröhle Stellvertretender ungarischer Staatssekretär

Im Gegensatz zu Ungarn hiess die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel die Flüchtlinge willkommen. Sie betonte immer wieder: «Wir schaffen das». Pröhle kritisiert Merkels Willkommenskultur scharf. Zum einen habe sie den Schritt nicht mit den anderen EU-Ländern abgesprochen, von ihnen aber erwartet, die Flüchtlinge nach einem Verteilschlüssel aufzunehmen. «Das ist nicht, was ich unter europäischer Solidarität verstehe», stellt Pröhle fest.

Er wirft Merkel zudem vor, die Flüchtlinge mit ihrer Geste getäuscht zu haben. «Es war unverantwortlich von ihr, die Hoffnung der Flüchtlinge auf ein besseres Leben in Europa zu bestärken und ihnen mit der Willkommenskultur zu suggerieren, ein solches sei ohne weiteres möglich.»

Die Willkommenskultur Merkels war unverantwortlich.

Für Ungarn steht laut Pröhle im Vordergrund, den geflohenen Menschen später eine Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen. «Daher müssen wir alles tun, um dort bessere Verhältnisse zu schaffen, vor allem in den Nachbarländern Syriens», so Pröhle. Darin sind sich zwar alle EU-Partner einig, aber niemand weiss, wie man das bewerkstelligen könnte.

«Ich habe auch keine Lösung in der Westentasche, sonst sässe ich in Brüssel an sehr wichtiger Stelle», sagt Pröhle. Es sei aber wichtig, dass man die Flüchtlinge wieder auf den Boden der Realität bringe.

Schiessdrohungen von Soldaten sind tragische Nebeneffekte der Grenzzäune.

«Tagesgespräch» unterwegs

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Das Moderationsteam des «Tagesgespräch» ist diese Woche auf der Flüchtlingsroute unterwegs und spricht mit den Menschen, die diese riesige humanitäre Herausforderung meistern wollen – mit freiwilliger Arbeit; mit dem Bau von Zäunen; mit Ordnung oder Nächstenliebe. Unterschiedliche Ansätze, die Fragen provozieren.

Um die geschlossenen Grenzen zu sichern, setzen Sicherheitskräfte auch Schlagstöcke und Tränengas gegen Flüchtlinge ein. Ein mazedonischer Soldat sagte einem Flüchtling kürzlich: «Wenn es sein muss, dann schiesse ich.» Nimmt Ungarn das in Kauf, um die Flüchtlinge abzuschrecken? Pröhle verneint ganz klar. Das seien die tragischen Nebeneffekte des Zauns. «Aber wenn er bewirkt, dass andere Menschen die fliehen wollen, zu Hause bleiben, sehe ich das als positiv.»

Für jene, die bereits vor den Grenzen warten und in Europa eingewandert sind, arbeitet die EU-Kommission an einem Quotenschlüssel. Sie will künftig auf europäischer Ebene darüber entscheiden, wie die Flüchtlinge auf die EU-Länder verteilt werden sollen. Ungarn hat sich von Anfang an entschieden gegen einen solchen Automatismus gesperrt. Laut Pröhle gibt es dafür zwei Gründe.

Vierteilquoten funktionieren nicht.

Zum einen handle es sich um ein theoretisches Konstrukt, das nicht funktioniere. «In Deutschland hat sich gezeigt, dass die Leute nicht bereit sind, sich umsiedeln zu lassen. Von rund 10‘000 Flüchtlingen konnten nur einige Tausend verteilt werden. Die Flüchtlinge wissen genau, wo sie hingehen wollen – eben nicht nach Spanien, sondern nach Schweden, weil sie dort ihre Verwandten und Freunde haben.»

Zum andern sind die Quoten für Ungarn laut Pröhle aus Gründen der Souveränität nicht akzeptabel. Es sei unverständlich, dass die EU von einem Land, in dem es gar keine muslimische Gemeinschaft gebe und in dem die drittgrösste jüdische Gemeinschaft lebe, verlangen wolle, praktisch von heute auf morgen so viele Muslime aufzunehmen.

Bei uns wurden keine Flüchtlingsheime angezündet.

«Man muss doch verstehen, wenn ein Land, das eine andere Tradition hat, mitentscheiden will, welche Zivilisationen, Kulturen und Religionen es aufnehmen soll.» Ungarn sei nicht gegen Muslime, betont Pröhle. «Bei uns gab es keine Bomben auf Flüchtlingsheime. Und bei uns wurden keine Flüchtlingsheime angezündet.» Die ungarische Gastfreundschaft sei besser als ihr Ruf, so das Fazit von Pröhle.

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