«Schon zu Mubaraks Zeiten hat es bei politischen Versammlungen Übergriffe gegen Frauen gegeben», sagt Sonja Zekri. Sie ist Ägyptenkennerin und Journalistin für verschiedene Medien. Neu sei aber seit rund zwei Monaten das Ausmass der Gewalt. «Eine Frau wurde mit einem Messer vergewaltigt.» Wer konkret dahintersteckt, weiss man nicht.
Politisches Kalkül?
Das Verbrechen verläuft immer ähnlich: «Eine Frau steht alleine auf dem Platz. Am Anfang sind es zwölf Männer, dann zwanzig, dann hundert, dann noch mehr. Die Frauen werden über die Strasse geschleift und vergewaltigt.» Diese Art von Gewalt deute darauf hin, dass die Frauen gezielt vom Tahirplatz weggehalten werden sollen. Sie sollen nicht mehr im öffentlichen Raum auftreten. Und die Proteste können so insgesamt diskreditiert werden, sagt Zekri. Es handelt sich jedoch um Vermutungen, betont sie.
Für wenig Geld kann man in Ägypten Schlägertypen mieten. Diese begehen dann die schlimmsten Verbrechen und möglicherweise auch Vergewaltigungen, sagt die Journalistin. Menschenrechtler seien sehr vorsichtig mit öffentlichen Anschuldigungen. Sie können ihre Vermutungen nicht beweisen.
Tipps von Frauenorganisationen
Nun sind Organisationen gegründet worden, die die Frauen vor der Gewalt auf dem Tahrirplatz schützen wollen. Deren Tipps hörten sich allerdings hilflos an, sagt Zekri. Sie sollen nicht alleine demonstrieren und sich nicht absondern. «Sie raten ihnen auch, möglichst viele Kleidungsschichten anzuziehen. Bei einer Vergewaltigung lässt sich so Zeit schinden.» So vergrössert sich die Chance, dass jemand noch eingreift und der Frau hilft.
Die politischen Parteien in Ägypten haben zu diesen Vorfällen sehr lange geschwiegen. Nun zeigt man sich entsetzt, dass so etwas passiert. Trotzdem stehe das Thema nicht weit vorne auf den Agenden der Parteien, sagt Zekri. «Frauen spielen im politischen Leben praktisch keine Rolle. Egal in welcher Partei.»