Bei der Diskussion rund um eine Schutzklausel geht es zunächst um die Frage, ob ein EU-Mitgliedsland unter gewissen Umständen die Bedingungen für die Personenfreizügigkeit einschränken darf. Die Antwort lautet: Im Grundsatz nein. Es gibt aber zwei Ausnahmen gibt, bei welchen das möglich ist.
Zunächst zum Grundsatz: Die Personenfreizügigkeit ist nichts Abstraktes. Sie formuliert vielmehr das Recht, jedes EU-Bürgers, jeder EU-Bürgerin in ein anderes Land zu ziehen, dort zu leben, zu arbeiten, zu studieren. Ca. 14 Millionen EU-Bürger leben in einem anderen Mitgliedsland.
Dazu gehört die Pflicht der EU-Mitgliedsländer dieses Recht auch zu garantieren. Sie müssen die eigenen Bürger und diejenigen der anderen Mitgliedsländer gleich behandeln. Diskriminierung ist verboten. Das ist der Grundsatz.
Kriminelle haben weniger Rechte
Die erste Ausnahme betrifft Kriminelle. Wenn dieser beispielsweise in Deutschland sein Unwesen treibt, darf Deutschland ihn unter gewissen Bedingungen ausweisen, für ihn also die Personenfreizügigkeit einschränken. Das ist für die Schweiz nicht relevant.
Spannender ist die zweite Ausnahme. Da geht es um den Fall, dass neue Länder der EU beitreten. Die alten Mitgliedsländer müssen den eigenen Arbeitsmarkt für die neuen nicht von einem Tag auf den anderen öffnen. Sie können die Personenfreizügigkeit vielmehr während einer Übergangsfrist von sieben Jahren schrittweise einführen.
Schutzklausel während sieben Jahren
Zum Schutz des eigenen Arbeitsmarktes dürfen sie während dieser Zeit die eigenen Bürger bevorzugen und diejenigen der neuen Mitgliedsländer benachteiligen. Das sei eine Schutzklausel, sagt die Europarechtlerin Christa Tobler, gibt aber weiter zu bedenken: «Wenn diese Frist vorbei ist, dann ist die volle Personenfreizügigkeit gegeben und dann gibt es keine Möglichkeit mehr, davon wieder abzuweichen.»
Dann müssen die Mitgliedsländer die Bürger aller EU-Länder gleich behandeln und dürfen nur noch für die Kriminellen die Personenfreizügigkeit einschränken. Die EU-Kommission bestätigt diese Analyse gegenüber Radio SRF. Ein Interview zum Thema will sie aber nicht geben.
Für die Schweiz keine Option?
Weil diese Schutzklausel aber als Übergangsfrist für neue Mitgliedsländer gilt, sieht Christa Tobler in ihr auch kein Vorbild für die in der Schweiz diskutierte Variante. Nämlich, dass die Schweiz immer dann, wenn übermässig viele EU-Bürgerinnen in die Schweiz kommen, die Einwanderung beschränken kann.
Der frühere Staatssekretär und heutige ETH-Professor Michael Ambühl ist der geistige Vater einer solchen Schutzklausel. Er widerspricht der juristischen Einschätzung nicht, dass es im EU-Recht kein Vorbild für seine Idee gebe. Er sagt aber auch, das sei für ihn nicht relevant. Er habe eine Idee lanciert, einen Beitrag für die laufende Diskussion. Entscheidend sei der politische Wille der EU, ob sie bereit sei, mit der Schweiz eine Lösung zu suchen. Bis anhin allerdings zeigte die EU keine Bereitschaft dazu.