Nach dem rasanten Vormarsch der sunnitischen Terror-Organisation Isis im Norden des Iraks wächst im Land der Widerstand. Tausende Männer begeben sich zu den Rekrutierungsbüros der Armee. Allein in Nadschaf würden 100'000
Rekruten für die Aufnahme in die irakische Armee erwartet, berichtete «Al-Sumaria News».
Truppenaufmarsch in Samarra
Viele sind dem Aufruf des irakischen Gross-Ajatollahs Ali al-Sistani gefolgt. Er hatte seine schiitischen Glaubensbrüder aufgefordert, die Heiligtümer in Kerbela und Nadschaf südlich von Bagdad gegen die sunnitischen Isis-Extremisten zu verteidigen. Auch der radikale Schiitenprediger Muktada al-Sadr rief seine Anhänger zum Widerstand auf.
Nach dem Vorrücken der Isis plant die Armee in der Umgebung von Samarra einen Gegenschlag. Samarra liegt rund 130 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bagdad. Hier versammeln sich seit dem frühen Morgen immer mehr Freiwillige, um die irakische Armee zu unterstützen.
«Wir erleben den Zerfall des Iraks»
Laut SRF-Korrespondent Pascal Weber ist die Regierung Maliki äusserst geschwächt und die irakische Armee demoralisiert. «Wir erleben derzeit den Zerfall des Iraks», so Weber. Auch wenn Bagdad für die Kampfverbände der Iisis kaum zu erobern sei, müsse man davon ausgehen, dass der Irak für Jahre destabilisiert wird.
Maliki ruft zum gemeinsamen Kampf auf
In einer Ansprache vor Offizieren in Samarra sagte Ministerpräsident Nuri al-Maliki, innerhalb weniger Stunden würden Freiwillige zur Armee stossen. Die Rede des Regierungschefs wurde im Staatsfernsehen landesweit ausgestrahlt.
«Wir sind die Kinder einer Religion», sagte Maliki. Für eine Spaltung in Sunniten und Schiiten gebe es keinen Platz. Er versprach, die sunnitischen Extremisten von Isis zurückzuschlagen. «Wir sind die Tapferen.» Samarra werde «nicht die letzte Verteidigungslinie sein, sondern ein Sammelpunkt» im Konflikt mit den Isis-Kämpfern. «Der Staat steht hinter euch, das Kabinett, die Gelehrten und die Stämme», sagte der Regierungschef. Die ganze Welt vertraue auf «unseren Kampf gegen Isis».
Ein Armee-Sprecher erklärte, das Militär habe an verschiedenen Frontabschnitten die Isis-Kämpfer aus eroberten Provinzen zurückgedrängt. Die irakische Luftwaffe tötete laut «Al-Sumaria News» über 200 Isis-Kämpfer bei Angriffen im Nordirak. Die Angriffe erfolgten auf Isis-Stellungen in der nordirakischen Stadt Baidschi.
Auch die Stadt Ischaki nördlich von Bagdad wurde von der Armee zurückerobert. Trotzdem gelang es Bewaffneten, in der Nähe der Stadt die Fahrzeugkolonne eines ranghohen schiitischen Geistlichen anzugreifen und acht Leibwächter zu töten. Dies berichtete der stellvertretende Leiter der Verwaltung der religiösen Güter der Schiiten im Irak (WAQF), Scheich Sami al-Massudi. Bei dem stundenlangen Feuergefecht mit Isis-Terroristen seien zudem zehn Leibwächter verletzt worden.
Auch Iran steht Irak bei
Inzwischen will sogar der Iran mit dem Irak im Kampf gegen die Isis gemeinsame Sache machen. Der iranische Präsident Hassan Ruhani sagte in Teheran: «Wir werden unseren Nachbarn Irak in jeder Weise unterstützen und beraten, aber eine militärische Beteiligung ist nicht angefordert worden und steht auch nicht zur Debatte».
Zuvor hatten Medien berichtet, dass der Iran drei Bataillone der Eliteeinheiten Al-Kuds nach Irak entsandt habe. Der iranische Präsident zeigte sich offen für eine Zusammenarbeit mit den USA im Kampf gegen die Isis. Allerdings müsse die Initiative von den Amerikanern ausgehen.
US-Flugzeugträger am Abend im Golf
In den USA ordnete Verteidigungsminister Chuck Hagel wegen der Irak-Krise die Verlegung eines Flugzeugträgers in den Persischen Golf an. Damit solle Präsident Barack Obama zusätzliche Flexibilität gegeben werden, «sollten militärische Optionen nötig werden, um das Leben von Amerikanern, Bürgern und Interessen im Irak zu schützen», teilte das Pentagon mit.
Der Flugzeugträger «USS George H.W. Bush», bisher im Arabischen Meer (Indischen Ozean) stationiert, sollte am späten Abend sein Ziel erreichen. Obama hatte zuvor eine Rückkehr von US-Kampftruppen in den Irak ausgeschlossen.