Immer mehr westliche Länder sehen ihre Bürger im libyschen Bengasi in Gefahr. Nun empfiehlt auch die Schweiz ihren Bürgern, die Stadt und die umliegende Region zu verlassen. Dies heisst es auf der Webseite des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
Es gebe Terrordrohungen gegen westliche Staatsbürger. Das EDA betont allerdings: «Der Entscheid, Bengasi zu verlassen, ist ein individueller.»
Auch der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle sprach von einer «ernsten und delikaten Lage». Die Warnung sei aufgrund von «verschiedenen Hinweisen» erfolgt. Konkreter wurde Westerwelle nicht.
Angst vor Vergeltung wegen Mali
Am Donnerstag hatte zuerst das britische Aussenministerium zum Verlassen Bengasis aufgerufen. Inzwischen taten dies auch die Niederlande, Australien und Kanada.
Nach der Intervention Frankreichs in Mali sei die Gefahr von Vergeltungsschlägen auf westliche Ziele grösser geworden, wird betont. Für Libyen-Kenner Beat Stauffer ist diese Einschätzung plausibel, die Terrorwarnungen seien sehr ernst zu nehmen. Das sagte er im Gespräch mit Radio SRF. Man müsse aber festhalten, dass die Urheber dieser Drohungen schon vor der Intervention Frankreichs in Mali aktiv gewesen seien.
Islamisten oder Anhänger von Gaddafi?
Wer steckt hinter diesen Drohungen? Da gibt es laut Stauffer zwei mögliche Täterkreise: Einerseits die radikalen Islamisten, die grundsätzlich gegen ein demokratisches Libyen sind. Andererseits Netzwerke von ehemaligen Gaddafianhängern, die vom Ausland aus operieren. Auch sie haben ein Interesse daran, den Aufbau eines neuen demokratischen Staates in Libyen zu verhindern.
Libysche Regierung sieht keine Bedrohung
Dass westliche Staatsbürger in Bengasi gefährdet seien, bestreitet die libysche Regierung. Die Lage in der Hafenstadt sei stabil, sagte ein Vertreter des Innenministeriums der staatlichen Nachrichtenagentur Lana.
Dem widerspricht allerdings Beat Stauffer. Die Sicherheitslage habe sich verschlechtert. Vor allem in Bengasi aber auch in der Hauptstadt Tripolis.
Das zeige sich auch daran, dass das Parlament vor einigen Tagen ein Gesetz verabschiedet habe. Dieses ermöglicht, dass Parlamentarier oder Anlagen für die Ölförderung von privaten Firmen geschützt werden können. Das bedeutet, so Stauffer, dass die Polizei offenbar nicht in der Lage ist, deren Sicherheit zu garantieren.