Kosovos Präsident Hashim Thaçi verspricht neue Perspektiven und neue Hoffnung für Kosovo. Gegenüber SRF erklärt er: «Ich verstand es, während der Befreiung in den 1990er Jahren die Bevölkerung zu einen. Ebenso, als wir 2008 die Unabhängigkeit erklärten. Ich bin überzeugt, dass wir jetzt auch gemeinsam den Weg in die EU und die Nato gehen.»
Doch in den vergangenen Monaten demonstrierten Zehntausende gegen das politische Establishment Kosovos: Thaçi und die Regierung seien korrupt und mitverantwortlich für die wirtschaftliche Misere. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 40 Prozent, bei den Jugendlichen sind gar 70 Prozent ohne Job. Thaçi will als Präsident vor allem in den Tourismus investieren – und dafür kämpfen, dass die Visaschranken nach Westeuropa fallen.
Die Opposition, insbesondere die Bewegung Vetëvendosje! (Selbstbestimmung), wirft Thaçi vor, er habe Kosovo unter dem Druck des Westens an die serbische Regierung verraten. Im Normalisierungsprozess mit dem Nachbarland einigten sich Pristina und Belgrad unter Schirmherrschaft der EU unter anderem auf einen Verband serbisch dominierter Gemeinden im mehrheitlich albanischen Kosovo. Es entstehe ein Staat im Staat, befürchtet die Opposition.
Thaçi, einst Kommandant und politisches Gesicht der ehemaligen Befreiungsarmee UÇK, sieht keine Alternative zum Dialog: «Mit allen diplomatischen und politischen Mitteln habe ich gegen die serbische Präsenz in Kosovo gekämpft.»
Mein Kampf richtete sich nicht gegen die Serben, die in Kosovo leben.
Weiter sagt Thaçi: «Der Normalisierungsprozess ist der Schlüssel zum Erfolg für Kosovo und Serbien. Wir wollen nicht in Geiselhaft der Vergangenheit bleiben. Im Gegenteil. Die Kritiker am Dialog von Pristina mit Belgrad frage ich: Was ist die Alternative zum Dialog? Was, wenn es keine Normalisierung gibt? Ein neuer Konflikt?»
Thaçi unterstützt Aufarbeitung der Vergangenheit
Serbien anerkennt die Unabhängigkeit Kosovos nicht und bezeichnet Thaçis UÇK noch immer als Terror-Organisation. Der Krieg von 1998/99 führte zum Rückzug der serbischen Truppen aus Kosovo und forderte mindestens 13'500 Menschenleben. Die Nato bombardierte aus der Luft, am Boden etablierte sich de UÇK als Ordnungsmacht. Rund 1700 Menschen gelten als vermisst, darunter 500 Serben und Roma.
Ein umstrittenes Spezialgericht soll nun auch Kriegsverbrechen der UÇK untersuchen. Medien in Serbien und Kosovo berichten, dass auch die Rolle von Hashim Thaçi im Fokus stehe. Kritiker unterstellen ihm, sich in die Immunität des Präsidentenamts geflüchtet zu haben. Thaçi verspricht im Interview mit SRF, das Spezialgericht zu unterstützen:
«Ich habe den Prozess zur Errichtung dieses Spezialgerichts unterstützt. Wir haben nichts zu verbergen. Dieses Gericht kann eine Chance sein für Kosovo: Es kann Kosovo von der Last der Vergangenheit befreien, von der Last unbegründeter Beschuldigungen, wird aber auch sein Licht auf die Wahrheit werfen.»
«Ich bin stolz auf die enge Kooperation mit den USA»
Der US-Botschafter in Kosovo hatte die Wahl Thaçis zum Präsidenten aktiv unterstützt und gehörte noch im Parlament zu den ersten Gratulanten. Der neue Präsident gilt als Mann der Amerikaner. Er sei stolz auf die enge Kooperation mit den USA und unterstütze auch mit aller Entschlossenheit den Kampf gegen den Terror. Aus Kosovo reisen hunderte Jugendliche in den Dschihad nach Syrien und den Irak: Das Resultat von Perspektivenlosigkeit und Radikalisierung.
Kampf gegen den Terrorismus
«Wir werden unseren Kampf gegen den Fundamentalismus fortsetzen. Unsere Toleranz ist null. In meiner Zeit als Premierminister fällten wir härteste Entscheide im Kampf gegen dieses Phänomen. Leute aus Kosovo, die in Syrien kämpfen, sind keine Kosovaren. Sie sind das Böse Kosovos, der Region, der Zivilisation. Sie entsprechen nicht den kosovarischen Werten.»
Offene Geschäfte mit der Schweiz
Die Schweiz und Kosovo verbindet ein besonderes Verhältnis. Rund 300'000 Menschen in der Schweiz sprechen Albanisch. Seit den 1970er Jahren reisten Kosovo-Albaner als Gastarbeiter in die Schweiz, später folgten junge Männer, die sich dem Kriegsdienst in der jugoslawischen Armee entzogen. Heute leben rund 10 Prozent der kosovarischen Bevölkerung in der Schweiz. Trotz Visaschranken ist Zürich die am häufigsten angeflogene Destination vom Flughafen Pristina aus.
Doch nach der Unabhängigkeit scheiterte die Übernahme des alten, jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens durch den neuen Staat Kosovo. Die Hintergründe waren mangelndes Vertrauen in die kosovarischen Behörden – und der Versuch Pristinas, sich mit Neuverhandlungen zu profilieren.
Das fehlende Abkommen führt zu gravierenden Härtefällen von Kosovaren, die zurück in ihre Heimat wollen: Grundsätzlich können Staatsangehörige von Kosovo seit 2010 neue Renten nur noch bei Wohnsitz in der Schweiz vollumfänglich beziehen. SP und Grüne fordern darum ein neues Abkommen.
Als Präsident Kosovos will ich den Abschluss des Sozialversicherungsabkommens mit aller Kraft unterstützen.
Ebenso für die Visafreiheit der Kosovaren: «Ich hoffe sehr, dass die neuen Institutionen das Abkommen bald erreichen. Denn es ist im Interesse von Kosovo und der Schweiz. Wir haben aber auch unsere Verpflichtungen gegenüber der Bevölkerung unserer Länder.»