Aus Wut über eine erneut ausgebliebene Anklage im Fall eines mutmasslich durch Polizeigewalt getöteten Schwarzen sind in New York Zehntausende auf die Strassen gegangen.
Sie protestierten am Mittwochabend gegen die Entscheidung eines Geschworenengerichts, dass ein weisser Polizist, der den Unbewaffneten im Sommer heftig gewürgt haben soll, sich nicht wegen des anschliessenden Todes des 43-Jährigen vor Gericht verantworten muss. Demonstranten skandierten: «Keine Gerechtigkeit, kein Frieden».
Jury-Entscheid soll öffentlich werden
Die Entscheidung folgte weniger als zwei Wochen nach einem ähnlichen Fall in der Stadt Ferguson im Bundesstaat Missouri. Dort blieb der weisse Polizist, der den schwarzen unbewaffneten Jugendlichen Michael Brown erschossen hatte, vorerst straffrei. Dies hatte in dem Vorort der Stadt St. Louis schwere Unruhen ausgelöst, auch in anderen US-Städten kam es seither mehrfach zu Protesten gegen Rassendiskriminierung und Polizeigewalt.
Der Bezirksstaatsanwalt von Staten Island, Daniel Donovan, sagte, die sogenannte Grand Jury habe keinen zureichenden Grund gefunden, um sich für eine Anklage des Polizisten auszusprechen. Er wolle sich dafür einsetzen, dass die Einzelheiten der Jury-Prüfung öffentlich gemacht würden.
Todesursache: Umstrittener Würgegriff?
In einem Video des Vorfalls vom Juli soll Medienberichten zufolge zu hören sein, wie der im Schwitzkasten des Polizisten zu Boden gerissene 43-Jährige sagte, er bekomme keine Luft mehr. Der sechsfache Vater, der an Asthma erkrankt war, verstarb wenig später. Die Beamten hatten den Afroamerikaner gestoppt, weil sie vermuteten, er verkaufe illegal Zigaretten.
Vor dem Gebäude des Bezirksstaatsanwalts versammelten sich Demonstranten, um gegen die Entscheidung zu protestieren. Andere marschierten auch durch Strassen in Manhattan. Einige von ihnen hielten Schilder in die Höhe, auf denen stand: «Ich kriege keine Luft». Am Bahnhof Grand Central Station und an der Strasse Columbus Circle legten sich Demonstranten aus Protest auf die Strasse, berichtete die «New York Daily News» in ihrer Onlineausgabe. Es kam zu Verkehrsbehinderungen.
Obama will Taten sehen
Der Polizist bedauerte den Vorfall. Es sei nicht seine Absicht gewesen, jemandem wehzutun, hiess es in einer Mitteilung nach Angaben der Zeitung «USA Today». New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio rief die Bürger der Stadt zu Besonnenheit auf – auch wenn er verstehen könne, dass es ein «höchst emotionaler Tag» gewesen sei. Er fügte an, er arbeite mit der Polizei an langfristigen Reformen, damit den New Yorkern «Tragödien wie diese» in Zukunft erspart blieben.
US-Präsident Barack Obama sagte, man arbeite daran, das Vertrauen zwischen Bürgern und der Polizei zu stärken. «Es ist Zeit, grössere Fortschritte zu machen, als bisher. Ich bin nicht an Worten interessiert, ich bin an Taten interessiert.» Der schwarze Bürgerrechtler Al Sharpton sprach von einer «landesweiten Krise» und kündigte für den 13. Dezember einen nationalen Protestmarsch in der Hauptstadt Washington an.
Justizminister untersucht Polizeigewalt
Für den Polizisten kann es noch ein juristisches Nachspiel geben. Der Vorfall wird – wie der in Ferguson – auf Bundesebene weiter untersucht. US-Justizminister Eric Holder leitete unabhängige Ermittlungen auf Bundesebene an. Er nannten den Tod des 43-Jährigen «tragisch». Auch Holder rief die Demonstranten auf, friedlich zu bleiben.