Die türkische Armee hat am Freitag und in der Nacht auf Samstag neben Extremisten des Islamischen Staates (IS) auch erstmals offizielle Lager der Kurdischen Arbeiterpartei PKK angegriffen. Die Kampfflugzeuge vom Typ F-16 hoben am Freitagabend vom Luftwaffenstützpunkt Diyarbakir im Südosten des Landes ab.
Sie bombardierten fünf PKK-Stellungen nahe der Grenze zur Türkei, sagte ein PKK-Sprecher. Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu erklärte, die Einsätze würde so lange fortgesetzt, wie eine Bedrohung für die Türkei bestehe. Die PKK wirft der Türkei vor, damit die seit 2013 weitgehend eingehaltene Waffenruhe gebrochen zu haben und rief ihre Anhänger zum Kampf auf.
Zuvor hatte die türkische Luftwaffe am frühen Freitagmorgen Stellungen der IS-Extremisten im Nachbarland Syrien bombardiert. Auslöser für die Militäraktionen gegen den IS war ein Selbstmordanschlag in der türkischen Grenzstadt Suruç am Montag, bei dem 32 Menschen getötet wurden.
Viel innenpolitisches Kalkül
Das harte Vorgehen jetzt auch gegen die PKK könnte politisches Kalkül der türkischen Regierung und des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sein, sagt ZDF-Korrespondent Luc Walpot. Der von der internationalen Gemeinschaft gefordert Kampf gegen den IS nutzt Erdoğan, um gleich mal «im eigenen Haus aufzuräumen». Dabei würden Gegner der Regierung verhaftet, rund 600 Festnahmen in den vergangenen zwei Tagen, vor allem im linken Lager und bei PKK-Unterstützern. «Bei der PKK ist es aber riskanter, denn da droht eine militärische Eskalation.»
Innenpolitisch komme die aktuelle Situation Erdoğan sogar entgegen, denn die Wahlen im Juni seien nicht so ausgegangen, wie es sich der Präsident gewünscht habe, erklärt Luc Walpot in der «Tagesschau».Erdoğans Partei AKP sei nicht so stark gewählt worden, wie er es sich gewünscht hatte, um im Parlament eine Verfassungsänderung zu erreichen, die ihn zu einer Art Superpräsidenten gemacht hätte.
«Regierungschef Davutoğlu muss nun versuchen, eine Regierungskoalition zu bilden, was schwierig ist. Eine Zuspitzung der innenpolitischen Lage könnte zu vorgezogenen Neuwahlen führen und ein Wahlsieg mit einer Erstarkung von Erdoğans Partei AKP könnte schliesslich in einer Superpräsidentschaft münden.», meint Walpot.
Die Türkei stuft die PKK als «Terrororganisation» ein, Mitglieder des bewaffneten Arms der PKK hatten sich in dieser Woche zur Tötung zweier Polizisten in der Türkei bekannt. Als Reaktion auf die jüngste Gewalt ging die türkische Polizei mit Anti-Terror-Razzien in 13 Provinzen gegen mutmassliche Extremisten vor und nahm mehrere hundert Menschen fest.
Demonstrationen aufgelöst
Die türkische Polizei ist in Ankara mit Wasserwerfern und Tränengas gegen hunderte Menschen vorgegangen, die in der Hauptstadt gegen den Islamischen Staat (IS) demonstrierten. Nach Medienberichten wurden 30 Personen festgenommen. Die Demonstranten kritisierten die Regierung und verurteilten den Anschlag in Suruç, der dem IS zugeschrieben wird.