Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat den Ausgang der Kommunalwahlen in der Türkei als grossen Sieg für seine islamisch-konservative AKP gewertet. Nach einem Jahr heftiger politischer Auseinandersetzungen sagte Erdogan in der Nacht vor jubelnden Anhängern in der Hauptstadt Ankara, er werde an seinem Kurs festhalten.
Erdogan: Gegner müssen «bezahlen»
Seinen Gegnern warf er vor, sie hätten Chaos verbreiten wollen und die Interessen des Landes verraten. «An den Urnen haben heute die Demokratie und der freie Wille gewonnen», sagte Erdogan in einer Rede vom Balkon des AKP-Hauptquartiers aus.
Vor tausenden jubelnden Anhängern kündigte Erdogan zugleich an, seine Gegner würden für Anschuldigungen und Kritik «bezahlen» müssen. Der konservative Politiker steht seit den wochenlangen Massenprotesten im vergangenen Sommer wegen seines zunehmend autoritären Regierungsstils in der Kritik.
Landesweit 45 Prozent für AKP?
Doch die Türkei und das türkische Volk würden sich niemals beugen, sagte Erdogan. «Das Volk hat heute die hinterhältigen Pläne und unmoralischen Fallen durchkreuzt (...). Diejenigen, die die Türkei angegriffen haben, wurden enttäuscht», fügte er hinzu.
Nach Auszählung von etwa 85 Prozent der abgegebenen Stimmen habe die AKP landesweit etwa 45 Prozent der Stimmen erhalten, berichtete der Fernsehsender CNN Türk. Die oppositionelle Republikanische Volkspartei (CHP) kam demnach auf rund 28,5 Prozent.
Streit noch während der Auszählung
Noch während der Auszählung kam es zu heftigem Streit zwischen AKP und CHP. Die Kandidaten der Parteien beanspruchten den Sieg in Istanbul und Ankara jeweils für sich. Beide Seiten warfen sich gegenseitig Manipulationen vor. Vizeregierungschef Bülent Arinc (AKP) sagte: «Die AKP ist Sieger dieser Wahl. Alle andere haben verloren.»
Nach einem monatelangen heftigen Machtkampf zwischen Erdogan und seinen Gegnern entschieden in der Türkei erstmals seit fast drei Jahren wieder die Wähler. Die Kommunalwahlen galten als Stimmungstest für Erdogan, der sich im August nach mehr als zehn Jahren an der Regierungsspitze zum Staatspräsidenten wählen lassen will.
Acht Tote - Polizeiaufmarsch in Istanbul
Der Abstimmung war ein ungewöhnlich scharf geführter Wahlkampf vorausgegangen. Dabei ging es um Korruptionsskandale und Vorwürfe des Machtmissbrauchs der islamisch-konservativen Regierung. Bei Auseinandersetzungen am Wahltag wurden mindestens acht Menschen getötet. In zwei Ortschaften der südlichen Provinzen Hatay und Sanliurfa habe es Schiessereien zwischen Angehörigen einzelner Kandidaten gegeben, berichteten türkische Fernsehsender. In mehreren anderen Wahllokalen kam es zu Übergriffen. Aktivisten berichteten zudem über Anzeichen von Wahlbetrug.
Türkische Medien berichteten, die Polizei habe ihre Einsatzkräfte rund um den Istanbuler Taksim-Platz verstärkt, um auf mögliche Proteste vorbereitet zu sein. Die Spannungen hatten sich verschärft, während türkische Medien widersprüchliche Ergebnisse veröffentlichten.
Kampf gegen Twitter und YouTube
Mit drastischen Massnahmen gegen echte oder vermeintliche Gegner aus dem eigenen religiös-konservativen Lager war Erdogan zuletzt auch international in die Kritik geraten. Er hatte den Zugang zum Kurznachrichtendienst Twitter und zur Videoplattform YouTube sperren lassen, um unliebsame Veröffentlichungen zu unterdrücken. Erdogans Gegner nutzten das Internet wiederholt für Enthüllungen.
Die CHP wollte Erdogans AKP vor allem die für die Machtverhältnisse im Land besonders symbolträchtigen Bürgermeisterämter in Istanbul und Ankara abnehmen. Bei der Parlamentswahl im Juni 2011 hatte die AKP fast 50 Prozent der Stimmen erhalten. Bei den Kommunalwahlen 2009 waren es landesweit knapp 39 Prozent gewesen.