Mit einer guten Wahlbeteiligung und nur wenigen Zwischenfällen haben die Tunesier die letzte Phase der Demokratisierung ihres Landes eingeleitet. Bei der Parlamentswahl gaben nach Angaben der Wahlkommission Isie bis zwei Stunden vor Schliessung der Wahllokale etwa 51 Prozent der registrierten Wähler ihre Stimme ab. Die Abstimmung verlief weitgehend ruhig, Unregelmässigkeiten wurden nur vereinzelt gemeldet. Begleitet wurde der Urnengang von einem Grossaufgebot von Sicherheitskräften.
Wenn das neue Parlament die Arbeit aufnimmt, kann auch das derzeitige Übergangskabinett von einer gewählten Regierung abgelöst werden. Mit der Wahl eines Präsidenten bis zum Jahresende soll der nach dem Arabischen Frühling 2011 eingeleitete Weg in die Demokratie abgeschlossen sein.
Bei der ersten Abstimmung nach dem Sturz von Zine el Abidine Ben Ali 2011 war die islamistischen Ennahda stärkste Kraft geworden. Sie musste sich nach dem Mord an zwei Oppositionspolitikern mutmasslich durch Salafisten und den darauf folgenden Massenprotesten jedoch aus der Regierung zurückziehen.
Wahlbeobachter sehen keine Unregelmässigkeiten
Mit der säkularen Allianz Nidaa Tounes gibt es diesmal starke Konkurrenz. Insbesondere deren Anhänger gaben sich in den Wahlbüros in Tunis zu erkennen. «Es wird Zeit, dass Demokraten in Tunesien die Macht übernehmen und nicht die Islamisten», argumentieren sie.
Vor den Wahllokalen in Tunesien haben sich schon vor Öffnung der Wahllokale lange Schlangen gebildet. Polizisten und Soldaten sichern die Strassen ab, Sicherheitskräfte in Zivil beobachten die Umgebung.
Aus europäischen Wahlbeobachterkreisen verlautete am späten Nachmittag: «Bisher haben wir keine Unregelmässigkeiten bemerkt. Die Wahl verlief ruhig und geordnet.» Auch die Wahlkommission berichtete nur vereinzelt von Zwischenfällen. So wurde in der südwestlichen Ortschaft Kasserine, wo es immer wieder zu bewaffneten Übergriffen von radikalen Islamisten auf Armee und Polizei kommt, ein Wahllokal aus Sicherheitsgründen erst später geöffnet, wie die offizielle Nachrichtenagentur TAP berichtete.
Offizielles Ergebnis im Laufe der kommenden vier Wochen
Nach ersten Einschätzungen zeichnet sich keine klare Entscheidung ab, erklärt SRF-Korrespondent Michael Gerber. 50 Parteien seien zu diesen Wahlen angetreten, hier eine Mehrheit zu gewinnen sei unter diesen Bedingungen äussert schwierig.
Es ist die zweite freie Abstimmung über eine Legislative in dem nordafrikanischen Land. Aber da Tunesien erst seit Anfang dieses Jahres eine neue, moderne Verfassung hat, ist es die erste freie Wahl eines regulären Parlaments. Mehr als 5,2 Millionen registrierte Wähler waren landesweit aufgerufen, ihre Stimme abzugeben, etwa eine Million mehr als noch vor drei Jahren. Damals lag die Wahlbeteiligung bei gut 50 Prozent. Nach offiziellen Angaben haben sich insgesamt 22 000 Wahlbeobachter angemeldet - darunter 600 aus dem Ausland.
Vorläufige Ergebnisse sollen binnen drei Tagen vorliegen. Das offizielle Endergebnis der Parlamentswahl wird innerhalb eines Monats erwartet. Bis spätestens Februar soll das Kabinett arbeitsfähig sein. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre.