Die EU verhandelt mit der Kosovo-Regierung seit Monaten über ein Sondertribunal für Kriegsverbrechen. Die Zeit drängt: Denn im Sommer veröffentlicht eine Internationale Sonderkommission ihren Bericht über mutmassliche Kriegsverbrechen im Kosovokrieg.
Laut einem früheren Bericht des Europarates gibt es starke Anzeichen dafür, dass kosovarische Kämpfer während des Krieges serbischen Gefangenen Organe entnommen und verkauft haben. Verdächtigt werden auch der amtierende Ministerpräsident Hashim Thaci und andere aktive Kosovo-Politiker.
Grosse Aufgabe für die junge Justiz
Weder die EU noch die USA trauen allerdings dem Justizwesen des jungen Staates Kosovo zu, derart sensible Kriegsverbrecher-Prozesse unabhängig durchführen zu können. Die Justiz im Kosovo steht zu stark unter dem Druck der Politik.
Nach bisher unbestätigten Berichten soll das Sondertribunal dreigeteilt sein: Ein Büro steht in der kosovarischen Hauptstadt Pristina, die Untersuchungen sollen in Brüssel durchgeführt werden und die
Gerichtsverhandlungen im niederländischen Den Haag. So sollen Zeugen vor Drohungen bewahrt werden.
Verletzung der Souveränität?
Viele Parlamentarier im Kosovo sehen das geplante Kosovo-Tribunal im Ausland jedoch als grobe Verletzung der Souveränität des Kosovo und wehren sich dagegen. Doch die EU und die USA scheinen Willens zu sein, dieses Tribunal so oder so zu schaffen, unabhängig von einem Parlamentsentscheid im Kosovo.
Die Verlegung des Kriegsverbrechertribunals ins Ausland sei nicht nur für den Kosovo beschämend, sondern auch für die EU und ihre Rechtsmission Eulex, meinte ein kosovo-albanischer Kommentator kürzlich. Seit sechs Jahren baue die EU im Kosovo ein Justizwesen auf, dem sie nun selber nicht traue, hielt der Journalist fest.
(roso)