Im März schloss die EU mit der Türkei ein Abkommen darüber, dass die Türkei alle nach Griechenland gelangten Flüchtlinge und Migranten zurücknimmt. Dafür will die EU im Gegenzug für jeden abgeschobenen Syrer einen anderen syrischen Flüchtling aus der Türkei aufnehmen. Die EU will 72'000 Flüchtlinge aufnehmen, aber eine Festlegung von festen Verteilzahlen für die kommenden Monate stiess beim Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg auf Vorbehalte.
Bundesrätin Simonetta Sommaruga nahm am Treffen teil. Zum Abkommen zwischen der EU und der Türkei sagte sie gegenüber Radio SRF: «Das das wird noch viel zu reden geben.»
Türkei auf Garantien verpflichten
Konkret muss noch über Garantien seitens der Türkei gesprochen werden, wenn die EU Flüchtlinge von Griechenland in die Türkei zurückschaffen möchte. Die EU kann dies nur tun, wenn die Flüchtlinge in der Türkei sicher sind, also von der Türkei geschützt werden.
«Für die Syrer aus der EU, die in die Türkei zurückgeschickt werden, gibt es Garantien», sagte Luxemburgs Innenminister Jean Asselborn. Aber die EU möchte auch Flüchtlinge aus Afghanistan, Pakistan oder dem Irak zurückschaffen – deshalb sagt Asselborn weiter: «Wir müssen sehen, dass wir mit der Türkei auf eine Basis kommen, wo diese Garantien auch für die anderen gelten.»
Offensichtlich hat die Türkei bis anhin noch nicht zugesichert, dass sie auch die Flüchtlinge aus anderen Ländern schützt. Dies sei keine Lappalie, sagt SRF-Korrespondent Oliver Washington, ganz im Gegenteil. Es gehe dabei um die Frage, ob die Türkei die Grundsätze der Genfer Flüchtlingskonvention einhalte oder nicht. Offensichtlich halte die Türkei die Konvention für nicht-syrische Flüchtlinge noch nicht ein.
Entlastung nicht auf Kosten der Flüchtlinge
Sommaruga sagte deshalb zum Flüchtlingsabkommen mit der Türkei: «Man hat versucht, die Zusammenarbeit zu verbessern. Es gibt eine Entlastung für Europa, die aber nicht auf Kosten der Menschen gehen darf. Daran muss noch ganz intensiv gearbeitet werden.»
Konkret heisst das: so lange die Türkei die Grundsätze der Genfer Flüchtlingskonvention für nicht-syrische Flüchtlinge nicht einhält, darf die EU Afghanen oder Iraki auch nicht in die Türkei zurückschicken. Wenn die Türkei ihre Praxis nicht ändert, wäre es eine kolossale Niederlage für alle diejenigen, die das Flüchtlingsabkommen propagiert haben.
«Die Türkei wird nicht bereit sein, monatelang Flüchtlinge aus Griechenland zu übernehmen, ohne dass die EU ein Entgegenkommen signalisiert», sagt SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck. Schliesslich lebten bereits heute 2,7 Millionen syrische Flüchtlinge in der Türkei. Das Flüchtlingsabkommen könnte platzen, aber die EU habe grösstes Interesse an einer Beibehaltung, weil dank der abschreckenden Wirkung die Flüchtlingszahlen stark zurückgegangen seien.