«Mangelernährung ist in vielen Teilen Ungarns ein ernstes Problem», sagt der Osteuropa-Korrespondent von SRF, Marc Lehmann. Vor allem im Norden und Osten des Landes gebe es «mausarme, vernachlässigte Gebiete», wo die Menschen oft nicht mehr als eine Mahlzeit pro Tag einnehmen könnten.
Betroffen seien in erster Linie die Roma. Unter ihnen sei die Arbeitslosigkeit am grössten. Sie lebten meist unter «grauenhaften Umständen» in Slum-Siedlungen und kämen mit dem minimalen Sozialhilfe-Betrag, den sie zugute hätten, kaum über die Runden, so Lehmann.
Es gibt viel Hass
Der konservative Ministerpräsident Viktor Orban reagiere bislang nur mit Zynismus auf die Hungermärsche. Wie alles, was von der Opposition komme, ziehe Orban auch den Hungerprotest in den Schmutz und mache ihn lächerlich. «Es gibt viel Hass», sagt Lehmann.
Das könnte Orban bei den Wahlen in anderthalb Jahren in Bedrängnis bringen. Denn immer stärker seien auch andere Bevölkerungsteile als die Roma von der grassierenden Armut im Land betroffen: Diese hat laut dem SRF-Korrespondenten in den letzten Jahren bis weit in die Mittelschicht hinein Einzug gehalten.
Die Arbeitslosigkeit sei gestiegen und das Land sei nahe am Staatsbankrott. Deshalb seien auch die Sozialleistungen gesunken. Lehmann: «Mittlerweile lebt mehr als ein Drittel der Ungarinnen und Ungarn unter der Armutsgrenze.»
Ungarn am Rande des Kollapses
Er macht für die Misere in erster Linie die Regierung Orbans verantwortlich: «Man kann nicht anders, als die Orban-Regierung einer inkompetenten Politik zu bezichtigen», sagt Lehmann.
So seien nicht nur keine der versprochenen Jobs geschaffen worden – es seien im Gegenteil zehntausende Stellen abgebaut worden. Lehmann spricht von unfähigen Politikern und einer verfehlten Steuerpolitik. Hinzu kämen die vom IWF verlangten Sparmassnahmen. «Ein gefährlicher Cocktail, der Ungarn an den Rand des Kollapses drängt.»