Es war «kein Unfall»: Das hat US-Vizepräsident Joe Biden nach dem Absturz einer Maschine der Malaysia Airlines mitten im Kampfgebiet der Ostukraine erklärt. Das Flugzeug sei «vom Himmel geholt worden».
Diese Einschätzung teilen inzwischen immer mehr Quellen. Auch der US-Geheimdienst geht davon aus, dass die Maschine mit 283 Passagieren und 15 Besatzungsmitgliedern an Bord mit Raketen beschossen wurde. Unklar bleibt dagegen, wer das Flugzeug abgeschossen hat – pro-russische Kämpfer oder Truppen der Ukraine.
Ukraine bezichtigt Rebellen
Der ukrainische Geheimdienst veröffentlichte zwei Telefonmitschnitte, die angeblich beweisen sollen, dass es sich um eine Tat der pro-russischen Rebellen handle. Ein Rebellen-Kommandant soll dabei seinem Vorgesetzten beim russischen Militärgeheimdienst berichten, man habe soeben ein Flugzeug abgeschossen.
Auch der ukrainische Präsident Poroschenko warf den Separatisten vor, die Boeing abgeschossen zu haben – wie zuletzt mehrere ukrainische Militärflugzeuge. Die ukrainische Luftwaffe habe mit der Tragödie nichts zu tun, betonte er.
Der Geheimdienst hat nach eigenen Angaben Telefongespräche abgehört, in denen pro-russische Aufständische den Abschuss eingestehen sollen. Wenige Minuten nach dem Absturz der Boeing hätten die Separatisten dem russischen Militär übermittelt, dass Kosaken-Milizen das Flugzeug getroffen hätten.
Möglicherweise seien die Aufständischen davon ausgegangen, auf ein ukrainisches Militärflugzeug vom Typ Antonow An-26 zu schiessen.
Rebellen und Russland geben Ukraine die Schuld
Die Separatisten beriefen sich ihrerseits auf angebliche Augenzeugenberichte, wonach ein Kampfjet der ukrainischen Luftwaffe die Boeing 777 angegriffen habe. Später meldeten sie, sie hätten den Flugschreiber der Boeing gefunden.
Die Separatisten haben allerdings mehrfach zugegeben, ukrainische Kampfjets, Transportmaschinen und mehrere Helikopter abgeschossen zu haben. Nach unbestätigten Berichten haben die Separatisten behauptet, ein Buk-Flugabwehrsystem im Verlauf der Kämpfe erbeutet zu haben.
Dass die Aufständischen das hoch entwickelte System inklusive Radar nach kurzer Zeit schon bedienen könnten, halten Experten jedoch für fraglich. «Das ist kein System, was man so ohne weiteres gleich benutzen kann», sagte Douglas Barrie vom Internationalen Institut für Strategische Studien in London der Zeitung «Wall Street Journal».
Russlands Präsident Wladimir Putin gab der Ukraine die Verantwortung. Die schreckliche Tragödie wäre nicht passiert, wenn es in der Ostukraine keinen Krieg gebe, sagte er.
Internationale Untersuchung gefordert
US-Präsident Barack Obama telefonierte mit mehreren Staats- und Regierungschefs und forderte eine unabhängige internationale Untersuchung des Absturzes.
Auch der UNO-Sicherheitsrat hat für heute 16 Uhr MESZ eine eilige Sondersitzung einberufen. Dabei soll eine von Grossbritannien eingebrachte Erklärung verabschiedet werden, in der das höchste UNO-Gremium eine «vollständige, sorgfältige und unabhängige internationale Untersuchung» des Absturzes fordert.
Die Europäische Union und die Nato verlangten von den Konfliktparteien in der Ostukraine, dass diese internationalen Ermittlern Zugang zur Absturzstelle geben müssten.
Rettungskräfte vor Ort
Rettungskräfte erreichten am Abend das Wrack des Flugzeugs in der Nähe der Ortschaft Grabowo. Dort bot sich ein Bild des Grauens aus weit verstreuten Leichen- und Trümmerteilen. «Die Arbeiten werden davon erschwert, dass die Trümmer in grossem Umkreis verstreut sind», sagte der Sprecher des Notfalldienstes. Zudem seien bewaffnete Separatisten in der Nähe. Sie boten am Donnerstagabend eine befristete Feuerpause während der Bergungsarbeiten an.
Die Rettungskräfte haben inzwischen Dutzende Leichen gefunden. Bisher seien 121 Tote geborgen worden, teilte der ukrainische Zivilschutz am Morgen mit. Auch Experten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) machten sich auf den Weg zum Wrack.