Zwei Monate nach der Blockade der Videoplattform Youtube in der Türkei hat das Verfassungsgericht in Ankara ein Ende der Sperre angeordnet. Das Gericht sehe durch die Blockade das Recht auf Meinungsfreiheit verletzt, meldete die Nachrichtenagentur Anadolu nach dem Urteil. Es werde seine Begründung nun den Telekommunikationsbehörden übermitteln.
Twitter-Sperre Anfang April aufgehoben
Vor der Kommunalwahl Ende März hatte die Regierung erst den Kurznachrichtendienst Twitter und dann auch Youtube sperren lassen. Regierungsgegner hatten zuvor vor allem über Twitter und Youtube Telefonmitschnitte verbreitet, die Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan unter Korruptionsverdacht brachten.
Die Twitter-Sperre hatte das Verfassungsgericht bereits am 3. April wieder aufgehoben. Erdogan hatte anschliessend gesagt, die Regierung müsse das Urteil umsetzen, es aber nicht respektieren. Das Urteil zu Youtube ist erneut ein juristischer Rückschlag für die Regierung. Sie bescheinigt Erdogan, undemokratisch gehandelt zu haben. «Das ist eine peinliche Niederlage für Erdogan», sagt Thomas Seibert. Der Journalist lebt in der Türkei.
Erdogan muss Gerichtsentscheid umsetzen
«Das Verfassungsgericht entwickelt sich immer mehr zu der Institution, welche die Regierung effizient kontrollieren kann», so Seibert weiter. Die Regierung Erdogan werde zwar auch an diesem neusten Urteil keine Freude haben, komme aber nicht darum herum, den richterlichen Entscheid umzusetzen.
Laut Einschätzung Seiberts urteilen die Verfassungsrichter ganz klar aus Sicht europäischer Rechtsnormen. «Deshalb nehmen sie den Konflikt mit der Regierung auch in Kauf», sagt er. Dies wird Erdogan kurzfristig nicht ändern können. Erst wenn Richter pensioniert und ersetzt werden, könne die Regierung auf die neuen Mitglieder des Verfassungsgerichts Einfluss nehmen und allenfalls ihr genehme Richter für den Posten nominieren.
Machtkampf zwischen Regierung und Gericht
Zwischen dem Verfassungsgericht und der Regierung schwelt seit Wochen ein Konflikt. Nach dem Urteil zum Ende der Twitter-Blockade hatten die obersten Richter auch wesentliche Teile einer Justizreform gekippt, mit der die Regierung ihre Kontrolle über Richter und Staatsanwälte ausweiten wollte. Erdogan warf dem Gericht sinngemäss vor, sich in Regierungspolitik einzumischen.
Der Streit über die Sperren im Internet findet vor dem Hintergrund eines Machtkampfes zwischen Erdogan und dem in den USA lebenden Geistlichen Fethullah Gülen statt. Der Ministerpräsident wirft dessen Anhängern in Polizei und Justiz vor, ihn mit Bestechungsvorwürfen stürzen zu wollen. Sie sollen auch eine Internet-Kampagne gegen ihn gestartet haben. Gülen weist sämtliche Vorwürfe zurück.