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Bild 1 von 9. Ein Mann mit Einkaufstüte stellt sich gegen die Staatsgewalt: Als die Massaker mit tausenden Toten schon angerichtet waren, ging dieses Bild am 5. Juni 1989 um die Welt. Die Proteste, die im Blutvergiessen endeten, begannen nur einige Wochen zuvor. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 9. 19. April 1989: Die öffentliche Trauer über den Tod des ehemaligen Chefs der Kommunistischen Partei Hu Yaobang gilt als Auslöser des Tiananmen-Massakers. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 9. 27. April 1989: Auf zum Tiananmen, dem Platz des Himmlischen Friedens. Fast jeden Tag marschieren Zehntausende zum Tiananmen, um für Reformen zu protestieren. Die Demonstranten fordern unter anderem Massnahmen gegen Korruption, Pressefreiheit und die Offenlegung der Vermögen von Führern und ihrer Familien. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 9. 16. Mai 1989: Nach drei Tagen Hungerstreik brechen die ersten Studenten auf dem Tiananmen zusammen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 9. 20. Mai 1989: Der Ruf nach mehr Demokratie euphorisiert. Auf dem Bild versuchen Demonstranten einen Lastwagen mit Soldaten daran zu hindern, den Platz des Himmlischen Friedens zu erreichen. Die Regierung erklärt den Ausnahmezustand. Bildquelle: Reuters.
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Bild 6 von 9. 22. Mai 1989: Auch in der Millionenmetropole Shenzhen und in vielen anderen Städten gehen die Menschen für mehr Mitspracherecht auf die Strasse. Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 9. 22. Mai 1989: Eine Warnung der chinesischen Führung: Ein Helikopter wirft Flugblätter ab. Die Studenten sollen den Tiananmen sofort verlassen, heisst es darauf. Bildquelle: Reuters.
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Bild 8 von 9. Zwei Wochen nach der Warnung aus der Luft sind tausende Menschen tot. Am 5. Juni 1989 patrouilliert eine Spezialeinheit der chinesischen Armee durch die leeren Strassen Pekings. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 9. 5. Juni 1989: Oben Ausnahmezustand, unten Normalität – das Leben muss weitergehen. Bildquelle: Keystone.
Auch am 25. Jahrestag des Tiananmen-Massakers schweigt sich die chinesische Regierung über die blutige Niederschlagung des Volksaufstandes im Jahr 1989 aus. Gehandelt wird trotzdem, hinter den Kulissen. Bürgerrechtler werden festgenommen, Online-Dienste gesperrt. Zur Stunde patrouillieren hunderttausende Polizisten und Armee durch die Millionenmetropole Peking – um allfällige Zwischenfälle zu verhindern, wie es heisst.
Offenbar hat die Regierung Angst. Wovor?
SRF-Korrespondent Pascal Nufer: Tatsächlich hat die Regierung Angst. Das ist offensichtlich; seit Dienstag ist zum Beispiel Google in China komplett gesperrt, was ein deutliches Zeichen dafür ist, dass sich die Regierung vor der Wahrheit fürchtet und insbesondere davor, dass die Wahrheit unkontrollierbar gegen sie verwendet werden kann. Neu ist diese Angst zum Jahrestag aber nicht: Jedes Jahr kurz vor dem 4. Juni verschwinden besonders aktive Dissidenten für ein paar Wochen in Haft. Das Ausmass in diesem Jahr ist jedoch besonders gross.
Das Tiananmen-Massaker mit tausenden Toten: 25 Jahre ist es her. Es scheint, als würde die Angst der chinesischen Regierung mit jedem Jahr grösser.
Der 25. Jahrestag ist ein besonderer Jahrestag: Er markiert nicht nur ein Viertel-Jahrhundert, sondern steht quasi auch für eine ganze Generation. Gleichzeitig fällt das unrühmliche Jubiläum in eine Zeit, in der Chinas Wachstumsmotor immer hörbarer stottert und die Unzufriedenheit über politische Fehlleistungen der kommunistischen Partei spürbar wächst. Die immensen Umweltprobleme, die Überalterung der Gesellschaft oder das Korruptionsgeschwür, das den ganzen Apparat lahmlegt, tragen das ihre dazu bei. Die Regierung ist sich bewusst, dass das Fass irgendwann überlaufen kann.
Die Pressefreiheit gehört in China ebenso zum immer flüchtigeren Gut, wie frische Luft in den Städten.
Oppositionelle werden weggesperrt, andere Meinungen zensuriert und hunderttausende Polizisten lassen in Peking keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Regierung. Das erinnert doch sehr an eine Diktatur. Was sagt das Volk dazu?
In einer Diktatur diktiert ja eben die Regierung die Wahrheit so, wie sie sie haben will. Das ist der chinesischen Regierung über die letzte Generation hinweg so erstaunlich gut gelungen, dass viele Junge heute nicht wissen, was am 4. Juni 1989 passiert ist.
Die US-Journalistin Louisa Lim hat in ihrem Buch «People's Republic of Amnesia» Studenten in Peking das wohl berühmteste Foto des Massakers gezeigt: Das Bild eines Mannes, der sich alleine vor eine Panzerkolonne stellt. Das Bild, das im Westen zur Ikone des Tiananmen-Massakers geworden ist, haben gerade mal 15 von 100 Studenten erkannt. Es geht sogar so weit, dass viele junge Leute finden, dass China heute wirtschaftlich niemals so weit wäre, wenn die Volksarmee damals den ungestümen Studenten nicht die Flausen ausgetrieben hätte.
Die Forderungen der Demonstranten von 1989 lauteten: Rehabilitierung von Ex-Parteichef Hu Yaobang, Bekämpfung der Korruption, Pressefreiheit und Offenlegung der Vermögen der Führer und ihrer Familien. Ihr Fazit dazu?
Hu Yaobang, dessen Tod der Auslöser war für die Studentenproteste, die schliesslich im Massaker vom 4. Juni endeten, wurde 2005 zu seinem 90. Geburtstag offiziell rehabilitiert. Notabene war dafür ein anderer einflussreicher Politiker Chinas verantwortlich, der ebenfalls Hu heisst: Chinas ehemaliger Parteichef Hu Jintao. Wie weit Hu Yaobang jedoch wirklich für Demokratie stand, ist fraglich. Sicher ist, dass er zum Reformflügel gehörte, dem es in erster Linie auch um eine wirtschaftliche Öffnung des Landes ging.
Man muss befürchten, dass so ein Blutbad jederzeit wieder passieren könnte.
Die Bekämpfung der Korruption ist damals wie heute eine der wenigen kritischen Forderungen, die laut und öffentlich geäussert werden darf und die auch offiziell im Parteiprogramm immer wieder zu finden ist. Wellenweise fallen in China auch regelmässig sehr hohe und einflussreiche Politiker wegen korrupter Machenschaften in Ungnade. Sie verschwinden von einem Tag auf den anderen. Dass die Korruption jedoch in engem Zusammenhang mit den undurchsichtigen Strukturen der Partei und deren Günstlingswirtschaft steht, wird komplett ignoriert.
Wer es trotzdem wagt, mögliche Zusammenhänge zwischen hohen Ämtern und der Anhäufung von Wohlstand anzuprangern oder gar im Detail zu beschreiben, wird schnell den Druck des Machtapparates zu spüren bekommen. Dies trifft auch ausländische Journalisten, wie mehrere Beispiele in den vergangenen Jahren zeigten. Denn die Pressefreiheit gehört in China ebenso zum immer flüchtigeren Gut, wie frische Luft in den Städten.
Wäre ein solches Massaker heute noch möglich?
Schwer zu sagen. Wenn man allerdings die Entschlossenheit sieht, mit welcher die Regierung im Moment gegen jegliche Opposition vorgeht, muss man befürchten, dass so ein Blutbad jederzeit wieder passieren könnte.
Ihre Prognose für die Zukunft?
Ich habe diese Frage auch zwei der bekanntesten Dissidenten gestellt, die beide zu den rund 50 Personen gehören, die im Vorfeld des Jahrestages festgenommen wurden. Ohne Umschweife haben beide klar gesagt, dass die Situation seit der Regierung unter Xi Jinping eindeutig wieder schlechter wurde und sie nicht an eine Demokratisierung Chinas glauben.
Obwohl für dieses Jahr von diversen Oppositionsgruppierungen ein Marsch zurück auf den Tiananmenplatz propagiert wurde, glauben sie nicht daran, dass eine Bewegung von unten im Moment wirklich viel erreichen kann.