Der Fall des türkischen Nationalisten Dogu Perincek sorgte für Schlagzeilen in der Schweiz. Und er beschäftigt die Justiz weiter: Die Grosse Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) will den Fall behandeln. Perincek ist in der Schweiz verurteilt worden, weil er den Völkermord an den Armeniern leugnete.
Spielraum ausloten
In seinem ersten Urteil vom 17. Dezember ist der EGMR zum Schluss gekommen: Die Schweiz hat mit ihrem Bundesgerichtsurteil das Recht auf freie Meinungsäusserung verletzt. Dieses ist in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert. Laut EGMR ist eine offene Debatte um heikle Themen eine der grundlegenden Aspekte dieses Rechts.
Nach der Verurteilung der Schweiz durch den EGMR entschloss das Bundesamt für Justiz, um eine Neubeurteilung des Falles durch die Grosse Kammer des EGMR zu ersuchen. Damit soll Klarheit darüber geschaffen werden, welchen Spielraum die Schweizer Behörden bei der Anwendung der Antirassismusstrafnorm haben.
Sarkis Shahinian, Ehrenpräsident der Gesellschaft Schweiz-Armenien, betont auf Anfrage der sda die Komplexität des vor der Grossen Kammer des EGMR angestrengten Falles. Er weist darauf hin, dass diese Instanz eine Vielzahl von Fragen beantworten muss.
Ursprünglich Geldstrafe
Der 1942 geborene Dogu Perincek ist Präsident der türkischen Arbeiterpartei. 2005 hatte er bei mehreren Reden in der Schweiz den Genozid von 1915 bis 1917 an den Armeniern im Osmanischen Reich als «internationale Lüge» bezeichnet. Die Waadtländer Justiz verurteilte ihn dafür wegen Rassendiskriminierung zu einer bedingten Geldstrafe.
Das Bundesgericht bestätigte das Urteil 2007. Es vertrat die Ansicht, dass die Ereignisse von 1915 von der Wissenschaft und der Öffentlichkeit als Völkermord qualifiziert würden und darüber Konsens herrsche.