Seit mehr als einem Jahr reden die USA und Russland über eine Zusammenarbeit in Syrien. Immer wieder. Manchmal endeten die Verhandlungen in einem offenen Streit – wie vor genau einem Jahr, als sich bei der UNO in New York der amerikanische und der russische Präsident trafen. Manchmal endeten die Gespräche ohne jedes Ergebnis. Und manchmal mit einem Scheinergebnis, das sich schon Stunden nachher als wertlos erwies.
Fragt sich also, warum es diesmal in Genf anders lief. Es gibt zwei simple Gründe: Die USA haben in Syrien praktisch nichts mehr zu verlieren. Russland wiederum hat praktisch nichts mehr zu gewinnen.
Man sucht und findet sich in der Mitte
Die Obama-Regierung hat sich von Anfang an in Syrien nur widerwillig engagiert. Sie fordert zwar den Abgang von Diktator Assad, sie unterstützt halbherzig Oppositionsgruppen. Sie kämpft aus der Luft gegen die Terrormiliz IS. Doch längst ist klar – den Kampf für ein demokratisches Syrien ohne Assad haben die USA längst verloren. Einen Staat nach ihren Vorstellungen wird es dort auch nach dem Ende des Bürgerkrieges nicht geben.
Russland wiederum hat erreicht, dass das Assad-Regime zumindest in weiten Teilen Syriens an der Macht bleiben kann, dass Moskau im Land Einfluss behalten wird und dass es unverzichtbar ist für eine Lösung des Syrienkonflikts. Das ist bereits viel, mehr liegt nicht drin.
Also konnten sich die beiden Grossmächte nun einander annähern. Sie konnten gemeinsam für eine Waffenruhe eintreten und sogar eine enge militärische Kooperation für eine Offensive gegen die Dschihadisten vereinbaren.
Hoffnung auf ein Ende des Blutvergiessens
Ausser Frage steht, dass die USA – die in Syrien in der schwierigeren und schwächeren Position sind – mehr Zugeständnisse machen mussten. Keine Rede ist mehr vom raschen Abgang Assads. Sie bieten ausserdem Hand für eine klare politisch-militärische Aufwertung Russlands zum ebenbürtigen Partner im Kampf gegen den IS, al-Qaida und die al-Nusra-Front. Ein Kampf, der letztlich primär Assad stärken wird.
Russland musste sich einzig dazu verpflichten, das syrische Regime etwas zurückzubinden, es daran zu hindern, weiter Giftgasangriffe zu verüben und stattdessen humanitäre Hilfe zuzulassen. Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein müssten.
Dass sich Washington und Moskau zusammengerauft haben, ist offenkundig ein Fortschritt. Erstmals seit langem entnimmt man daher den Reaktionen auf den Genfer Kompromiss ein bisschen Hoffnung, dass das mehr als fünfjährige Blutvergiessen in Syrien aufhört. Zwar glaubt niemand, dass der Krieg nun rasch endet; ein Abebben der Gewalt wäre schon viel.
So böte sich zumindest die Chance für politische Gespräche, für eine Friedenslösung – irgendwann. Denn die politische Lösung, von der die USA und Russland jetzt auch sprechen, ist noch vage. Und vor allem ist sie mit den Widersachern in Syrien selber noch längst nicht ausgehandelt. Ein echter Friede, auch das ist allen Beteiligten klar, liegt also noch in weiter Ferne.
Die Eckpunkte der Waffenruhe:
- Feuerpause ab 12. September bei Sonnenuntergang
- Damit sollen Hilfsleistungen für die notleidende Zivilbevölkerung möglich werden
- Nach sieben Tagen wollen die USA und Russland in Syrien gemeinsam militärisch gegen Terrorgruppierungen wie Al-Nusra, Islamischer Staat (IS), und Al-Kaida vorgehen – sofern die Feuerpause eingehalten wird
- Austausch von relevanten Geheimdienstinformationen
- Abstimmung von Angriffszielen