Aufhänger der Strassenproteste vom Sonntag in Budapest war ein Einreiseverbot der USA gegen die oberste Chefin der Steuerbehörde, Ildiko Vida, wegen mutmasslicher Korruption. Sie bestreitet jegliches Fehlverhalten.
Neben deren Rücktritt forderten einige Demonstranten auch mehr demokratische Freiheiten und den Abgang der Regierung des rechtskonservativen Minsterpräsidenten Viktor Orban.
Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung Orban gibt es schon länger, wie SRF-Osteuropa-Korrespondent Urs Bruderer erinnert. So hatte vor einem Jahr ein Steuerfahnder seine Arbeit hingeworfen. Er war nach eigenen Angaben in mehreren Fällen von Steuervermeidung und -hinterziehung zum Schweigen angehalten worden. Der Fahnder machte publik, dass sich eine grosse Abteilung im Finanzamt nur um grosse Firmen und deren Sonderbehandlung kümmere.
Nur haben die Kritiker einen Namen
Die Öffentlichkeit reagierte damals kaum. Die Demonstration vom Sonntag sei wohl damit zu erklären, dass die Chefin der Steuerbehörde nun namentlich wegen Korruptionsvorwürfen am Pranger stehe, sagt Bruderer. Allerdings räumte Ildiko Vida bereits Mitte vergangener Woche ein, sie gehöre zu der mit einem Einreiseverbot der USA belegten Gruppe.
Wie es zu dieser Retorsionsmassnahme kam und wie viele Beamte betroffen sind, ist laut Bruderer nicht klar. Möglicherweise steckten Anzeigen von US-Unternehmen dahinter. Aber auch über Probleme von Washington mit der Putin-freundlichen Politik der Regierung Orban werde gemutmasst.
Widerstand gegen Internet-Steuer
Der erfolgreiche Protest Zehntausender Ende Oktober gegen eine geplante Internetsteuer dürfte der jüngsten Kundgebung ebenfalls Auftrieb gegeben haben, sagt Bruderer. Der damalige Widerstand gegen Abgaben fürs Surfen sei wegen der Mobilisierung der Internetgemeinde zahlenmässig deutlich grösser ausgefallen und habe erst im Verlauf einen Anti-Regierungs-Charakter angenommen.
Die jüngste Demo dagegen sei gemäss Augenzeugen deutlich kleiner ausgefallen, habe sich aber von Anfang an gegen die Regierung gerichtet.
Die Regierung Orban wartet nun auf Beweise aus den USA, um Ermittlungen aufnehmen zu können. Diese passive Haltung trotz Indizien für Korruption auf höchstem Niveau macht laut Bruderer viele wütend. Die Enttäuschung über die Regierung in einigen Teilen der Bevölkerung bestehe aber schon länger. Neu sei, dass die Leute ihren Unmut jetzt wieder öffentlich zeigten.
Orban fest im Sattel
«Man darf aber nicht vergessen, dass Orban nach wie vor die grosse Mehrheit des Volkes hinter sich hat und in diesem Jahr dreimal Wahlen haushoch gewonnen hat», betont Bruderer. Die Mehrheit glaube also seiner Version der Dinge und der Version der ihm nahestehenden Medien. Danach versuchten das Ausland und insbesondere die USA, das starke Ungarn in die Knie zu zwingen. Dagegen sei Widerstand nötig. Die Vorfälle der letzten Zeit zeigen laut Bruderer aber auch, dass sich selbst Orban nicht alles leisten kann.