Während die Justiz in Pretoria am Montag noch über die Festnahme des mutmasslichen Kriegsverbrechers Omar Hassan al-Baschir beriet, schaffte der sudanesische Präsident Fakten: Ungehindert von den südafrikanischen Behörden verliess der mutmassliche Kriegsverbrecher das Land.
Am Abend landete das Flugzeug mit dem Staatschef an Bord auf dem Flughafen der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Bei seiner Ankunft trug al-Baschir ein traditionelles weisses Gewand, reckte beim Aussteigen seinen Gehstock in die Höhe und rief: «Gott ist gross.»
Die nonchalante Art, wie al-Baschir seine drohende Auslieferung in Propaganda ummünzte, wirft Fragen auf. Auch nach der Durchsetzungsfähigkeit des Internationalen Strafgerichthofs in Den Haag.
Schlappe für Südafrikas Rechtsstaat
Elsbeth Gugger, SRF-Mitarbeiterin in den Niederlanden, will jedoch nicht von einem Gesichtsverlust für das Haager Tribunal sprechen. «Natürlich wird die gescheiterte Auslieferung beim ICC sehr bedauert, genau wie man das in Brüssel oder Washington tut. Für viele internationale Beobachter ist es aber viel eher eine Schlappe für Südafrikas Regierung.»
Denn sie sei es gewesen, die den sudanesischen Diktator habe ausreisen lassen – und damit den obersten Gerichtshof überging und gegen die eigene Verfassung gehandelt habe. Trotzdem: Der internationale Strafgerichtshof erlässt Haftbefehle wegen des Verdachts auf Völkermords, und muss hilflos zusehen, wie afrikanische «Brüderstaaten» untätig bleiben – eine bittere, aber unabänderliche Realität?
«Dem ICC sind die Hände gebunden»
Gugger räumt ein, dass dem ICC die Hände gebunden seien: «Das Weltstrafgericht ist auf die Kooperation seiner aktuell 123 Mitgliedsstaaten angewiesen. All diese Länder haben das Römerstatut, das Regelwerk des ICC unterschrieben; weigern sie sich, mutmassliche Kriegsverbrecher zu überstellen, hat der ICC aber auch keine Sanktionsmöglichkeiten.»
Trotzdem bläst dem ICC mitunter ein eisiger Wind entgegen. In der öffentlichen Wahrnehmung westlicher Länder steht der ICC etwa in Kritik, weil er dem Wüten des syrischen Diktators Baschar al-Assad scheinbar gleichgültig gegenübersteht.
Auch diesen Vorwurf will relativiert: «Der ICC kann nur in Mitgliedsländern tätig werden, oder wenn der UNO-Sicherheitsrat ihn dazu auffordert, wie etwa im Fall von Muammar al-Gaddafi in Libyen oder im vorliegenden Fall al-Baschir.» Syrien sei jedoch kein ICC-Mitgliedsstaat, und der UNO-Sicherheitsrat sei in der Causa Assad uneinig.
Zweifelhafte Rolle des UNO-Sicherheitsrats
Gugger geht davon aus, dass sich der ICC nach der gescheiterten Festsetzung von al-Baschir beim UNO-Sicherheitsrat beschweren wird: «Bisher war es jedoch so, dass der Sicherheitsrat derlei Beschwerden zur Kenntnis genommen hat – und vornehm schwieg.» Im Fall al-Baschir sei eine Reaktion des Sicherheitsrates aufgrund des weltweiten Wirbels nicht ausgeschlossen.
Viel zu befürchten dürfte der sudanesische Präsident jedoch nicht haben. Die ICC-Chefanklägerin Fatou Bensouda hatte die Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in Darfur, in die al-Baschir verwickelt sein soll, im vergangenen Dezember eingestellt. Sie begründete dies mit fehlender Unterstützung vom UNO-Sicherheitsrat. Das Gremium habe sich nicht ausreichend für die Verhaftung des sudanesischen Präsidenten eingesetzt.