Iadranska Sulentic ist Venezolanerin durch und durch, trotz ihres kroatischen Vor- und Nachnamens. Sie redet spontan, hat viel zu erzählen. Vielleicht liege das Kommen und Gehen ja in ihrer Familie, sagt die kleingewachsene Marketing-Frau, die fünf Sprachen spricht.
In den 1950er Jahren sei Venezuela dank des Erdöls so etwas wie das gelobte Land gewesen. Ihr Grossvater sei damals aus Kroatien eingewandert und Venezolaner geworden. Und sie habe beschlossen, ein inzwischen dramatisch verarmtes Land zu verlassen. Hier schliesse sich ein Kreis.
Venezuela bietet Jungen kaum Perspektiven
Iadranska ist enttäuscht, dass Venezuela vielen Jungen kaum mehr Perspektiven bietet, sich beruflich zu entfalten. Die Wirtschaft liegt am Boden, die hohe Kriminalität macht Caracas zur gefährlichsten Hauptstadt der Welt. Wer kann, der geht.
Letztes Jahr lebten 2000 Venezolaner in Chile, dieses Jahr schon siebentausend, sagt Iadranska. Fast alle Länder Lateinamerikas verzeichnen eine starke Zuwanderung von Venezolanern. Begehrt sind auch die Vereinigten Staaten. Doch im Gegensatz zu den USA sind die Einwanderungsgesetze in Lateinamerika sehr liberal.
Endlich wieder Pläne schmieden
Zu Hause in Maracaibo lebten die junge Frau und ihr Bruder bei den Eltern. Die Geschwister konnten sich trotz guter Ausbildung kein eigenständiges Leben leisten. Besonders schwer zu ertragen sei der Mangel an lebensnotwendigen Produkten, erklärt Iadranska: Zahncreme, Seife und Toilettenpapier gebe es meist nur auf dem Schwarzmarkt zu kaufen, zu vielfach übersetzten Preisen. Windeln und viele Lebensmitteln seien nur gelegentlich verfügbar.
In Chile fühle sie sich wohl und wolle nicht mehr weg, betont Iadranska. Ihre Arbeit bei einem internationalen Konzern mache Spass, und sie verdiene gut. Iadranska beginnt wieder, Pläne zu schmieden: Heiraten und Kinder kriegen, zum Beispiel. Wünsche, die sie im chaotischen Venezuela unterdrückte.