Wofür steht Boko Haram?
Der Name Boko Haram bedeutet übersetzt in etwa «westliche Bildung ist Sünde». Die Gruppe kämpft für die Errichtung eines mittelalterlichen islamischen Kalifats in Nigeria und will die Scharia wieder einführen.
Woher stammt die Gruppe?
Boko Haram wurzelt im Nordosten Nigerias, der – im Gegensatz zum ölreichen Süden – zu den ärmsten Regionen der Welt gehört. Kindersterblichkeit, Analphabetenquote und Jugendarbeitslosigkeit sind hoch.
Das war nicht immer so: Traditionell waren die Landwirtschaft und auch das Textilgeschäft im Norden verwurzelt. Weil sich die Regierung aber zunehmend auf das vielversprechende Ölgeschäft konzentrierte, brachen die beiden wichtigsten Wirtschaftszweige des Nordens zusammen. In diesem Umfeld konnte Boko Haram seit 2002 vor allem unter arbeitslosen Jugendlichen viele neue Anhänger rekrutieren – bis heute. «Vor allem, weil Boko Haram die Jugendlichen bezahlt», sagt NZZ-Afrikakorrespondent Markus M. Haefliger in einem Gespräch mit SRF. Auch die Unzufriedenheit mit der Regierung treibt die Menschen in die Arme der Islamisten. Viele fühlen sich benachteiligt gegenüber dem wohlhabenden christlichen Süden. «Die Regierung ignoriert häufig einfach, wenn im Norden etwas passiert», sagt Katrin Gänsler, die als freie Journalistin aus Westafrika berichtet.
Wer steht hinter Boko Haram?
Gegründet wurde Boko Haram 2002 von Muhammed Yussuf als streng salafistische Sekte. In den Anfangsjahren lieferte sich die Gruppe vor allem Scharmützel mit Sicherheitskräften. Erst nach dem Tod Yussufs – er starb 2009 in Polizeigewahrsam – radikalisierte sich die Gruppe.
Wer ist Rebellenführer Abubakar Shekau?
Er ist der meist gesuchte Mann Nigerias: Abubakar Shekau, geboren im Bundesstaat Yobe im muslimisch geprägten Norden Nigerias , soll der Drahtzieher hinter fast allen blutigen Angriffen von Boko Haram sein. Shekau steht seit dem Tod von Gründer Yussuf an der Spitze der Gruppe. Er wurde von den Behörden schon mehrmals totgesagt, meldete sich aber immer wieder in provokanten Videobotschaften zurück. Über sein Privatleben ist wenig bekannt. Sein Alter wird mit 35 oder 36, manchmal aber auch mit 45 angegeben. Der ehemalige Theologie-Student gilt als gebildeter Einzelgänger, der fast nie direkt mit seinen «Fusstruppen» kommuniziert. Neben seiner Muttersprache Kanuri spricht er auch Arabisch und Hausa. Sein Spitzname lautet «Darul Tawhid» – zu deutsch etwa «Experte in Tawhid». Der Name soll wohl auf seine besonderen Kenntnisse des Islam hinweisen. Seit 2012 steht Shekau auf der Terrorliste der USA. Kopfgeld: sieben Millionen Dollar.
In welchen Strukturen funktioniert die Gruppe?
Über die internen Organisationsstrukturen der Gruppe ist wenig bekannt, ebenso wie über die genauen Mitgliederzahlen. Nach den Worten von Westafrika-Spezialistin Katrin Gänsler ist Boko Haram aber nach aussen gut vernetzt. «Die Gruppe hat gute Kontakte in die Nachbarländer Kamerun, Niger und Tschad», sagt die Journalistin. Das dürfte auch ein Grund sein, warum es so schwer ist, die im April entführten Schülerinnen ausfindig zu machen. Boko Haram werden zudem Kontakte zum Terrornetzwerk Al-Kaida im Mahgreb nachgesagt – die Gruppe soll von dort Waffen, Geld und Ausbildung erhalten haben.
Warum gelingt es nicht, wirksam gegen die Gruppe vorzugehen?
«Die Offensive der nigerianischen Armee hat zuletzt durchaus einige Erfolge gebracht», sagt NZZ-Korrespondent Markus M. Haefliger. Dass die Gruppe aber wie von der Regierung behauptet im Niedergang begriffen ist, darf wohl angezweifelt werden. «Dafür ist die Armee zu schlecht ausgebildet», berichtet Haefliger, der sich im Norden selbst ein Bild von der Lage machen konnte. «Immer wieder hört man, dass schlecht ausgerüstete Soldaten einfach davonlaufen.» Nach Haefligers Ansicht mangelt es vor allem an politischer Führungskraft. «Es gibt zu wenig Zeichen, dass Nigerias Präsident (Jonathan Goodluck - Anm. der Red.) wirklich hinter der Offensive steht.»
Welche Folgen hat der Terror von Boko Haram für Nigeria?
Den Anschlägen und Gewalttaten von Boko Haram fielen seit 2009 hunderte, eher noch tausende Menschen zum Opfer. Genaue Zahlen gibt es nicht, die Angaben reichen von 1000 bis 4000. Mindestens eine Viertelmillion Nigerianer haben zudem nach Angaben der UNO ihre Häuser verlassen und sind auf der Flucht. Etwa 60'0000 sollen das Land verlassen haben.