Bei den Massendemonstrationen in Ägyptens Hauptstadt Kairo kam es zu zahlreichen Fällen von sexueller Gewalt gegen Frauen. Von all den Fällen wurde bis heute kein einziger aufgeklärt.
«Nicht ein einziger Täter ist zur Verantwortung gezogen worden», steht in einem Bericht der Internationalen Liga für Menschenrechte (FIDH). «Mehrere Regierungen sind dabei gescheitert, sexuelle Gewalt gegen Frauen zu verfolgen», schreibt die FIDH. Das habe gravierende Folgen für die Beteiligung von Frauen am politischen Übergang des Landes.
Dutzende bewaffnete Männer
Von November 2012 bis Januar 2014 seien 250 Übergriffe und Vergewaltigungen gemeldet worden. Viele davon ereigneten sich auf dem Tahrir-Platz. Zu Beginn war er das Zentrum der Revolte gegen den gestürzten Präsidenten Husni Mubarak. Später versammelten sich Anhänger und Gegner seines Nachfolgers Mohammed Mursi dort.
«Überlebende und Zeugen berichten stets dasselbe: Dutzende Männer umzingeln eine Frau, reissen ihr die Kleider vom Leib und begrapschen sie», heisst es in dem Bericht. «Die Täter waren oft mit Stöcken, Messern und anderen Waffen ausgerüstet.»
Justizbehörden haben versagt
In dem Bericht kommt auch ein Opfer zu Wort. «Meine Hose und meine Wäsche wurden mir mit Gewalt heruntergerissen», gibt sie zu Protokoll. «Plötzlich war ich auf dem Boden, die Männer zogen mich an den Haaren, Armen und Beinen und vergewaltigten mich. Sie waren wie Löwen um ein totes Stück Fleisch.»
Verschiedene Menschenrechtsgruppen werfen den vom Militär eingesetzten Justizbehörden vor, bei der Suche und Strafverfolgung der Täter versagt zu haben. Es seien umfassende Massnahmen notwendig, «um Frauen zu schützen und ihnen die Beteiligung an der Gestaltung der Zukunft Ägyptens zu ermöglichen», fordern sie.
Neues Gesetz in Aussicht
Oft werde den Frauen die Schuld an ihrer Vergewaltigung zugeschoben, kritisiert Astrid Frefel, Journalistin in Kairo. «Das Bewusstsein ändert sich nur langsam.» Erst seit wenigen Jahren sei es üblich, dass in solchen Fällen Gerichte zum Zug kämen.
«Es wird aber in Kürze ein neues Gesetz in Kraft treten, das zum ersten Mal den Tatbestand Gewalt gegen Frauen auch juristisch erfasst und die entsprechenden Strafen dafür vorsieht», erklärt Frefel. Optimistisch stimmt sie das allerdings kaum. «Im Moment nimmt die Repression eher zu», und damit steige auch die Anzahl Menschenrechtsverletzungen.