Bei einem Bombenanschlag im Bahnhof der südrussischen Millionenstadt Wolgograd – ehemals Stalingrad – sind laut den Rettungskräften mindestens 16 Menschen getötet und etwa 42 verletzt worden. Die Kraft der Explosion entsprach rund zehn Kilogramm TNT.
Inzwischen gibt es widersprüchliche Erkenntnisse zur Täterschaft. Zunächst hiess es, es habe sich um einen terroristischen Anschlag einer Selbstmordattentäterin gehandelt. Dies jedenfalls sagte ein Sprecher der Ermittlungsbehörde. Nun gehen Ermittler wahrscheinlich von einem Mann aus. Ein am Tatort gefundener Finger gehöre dem bei der Explosion ebenfalls gestorbenen Attentäter, sagte ein namentlich nicht genannter Ermittler der Agentur Interfax.
Die Explosion ereignete sich gegen 12.45 Uhr Ortszeit. Der Anschlag sei nahe des Metalldetektors am Bahnhofseingang verübt worden. Dort warteten wegen der Neujahrsferien besonders viele Menschen an einer Sicherheitsschleuse auf die Kontrolle ihres Gepäcks.
Dreitägige Trauer in Wolgograd
Laut Augenzeugen hätten Polizisten die Attentäterin bereits vor dem Passieren der Metalldetektoren kontrollieren wollen. Daraufhin habe sie den Sprengsatz gezündet, so Korrespondent Stephan Laak. Wenn es der Frau gelungen wäre, wirklich in das Innere des Bahnhofs zu gelangen, wären vermutlich viel, viel mehr Opfer zu beklagen gewesen, glaubt Laak.
Augenzeugen berichteten von einem ohrenbetäubenden Knall. Überall hätte zersplittertes Fensterglas gelegen. Das Zivilschutzministerium liess das Gebäude evakuieren. Polizisten mit Spürhunden suchten das Gelände nach Spuren und möglichen weiteren Sprengsätzen ab. Die Gebietsverwaltung von Wolgograd verhängte eine dreitägige Trauer.
Die Bürgermeisterin von Wolgograd, Irina Gussewa, sagte dem Sender Westi 24, die Lage sei «schwierig». «Aber wir werden nicht zulassen, dass sich Panik in der Stadt ausbreitet.» Das Innenministerium kündigte stärkere Sicherheitsvorkehrungen an Russlands Bahnhöfen und Flughäfen an.
Zahlreiche Anschläge
Wolgograd mit rund einer Million Einwohner liegt etwa 700 Kilometer von Sotschi entfernt, wo in sechs Wochen die Olympischen Winterspiele stattfinden. Der tschetschenische Islamistenführer Doku Umarow hatte zu Anschlägen aufgerufen, um die Spiele zu stören.
Der Terrorchef wirft Präsident Wladimir Putin eine «blutige Besatzungspolitik» im Nordkaukasus vor. Umarows Ziel ist ein von Moskau unabhängiger islamischer Gottesstaat, ein «Kaukasus-Emirat». Die Veranstaltung (7. bis 23. Februar) gilt als Prestigeprojekt von Präsident Wladimir Putin.
«In Sotschi ist aber ein Riesenaufgebot an Sicherheitskräften, so dass die Terroristen dort quasi chancenlos sind», sagt SRF-Korrespondent Christoph Wanner. Aber in vielen anderen Grossstädten sei Russland verwundbar, wie der jüngste Vorfall zeige.
Kremlchef Putin forderte unterdessen eine schnelle Aufklärung des Anschlags und sagte Verletzten und Angehörigen unbürokratische Hilfe zu. Er entsandte zudem einen Beauftragten nach Wolgograd.
«Doch ich denke, dass diese Massnahmen sinnlos sind. Denn gegen so perfiden Terror kann keiner etwas tun», so Wanner. Wenn Terroristen Selbstmordanschläge planten, dann seien alle machtlos.
Anzahl der Anschläge nimmt zu
Erst am Freitagabend hatte die Explosion einer Autobombe vor einer Polizeistation in Pjatigorsk in der Konfliktregion Nordkaukasus drei Menschen getötet. Die Behörden vermuten einen terroristischen Hintergrund. Pjatigorsk ist rund 250 Kilometer von Sotschi entfernt.
Im Oktober waren bei einem Selbstmordanschlag auf einen Bus in Wolgograd sechs Menschen getötet und mehr als 30 weitere verletzt worden. Als Attentäterin machten die Behörden eine sogenannte Schwarze Witwe aus, die Frau eines radikalislamischen Extremisten aus der unruhigen russischen Teilrepublik Dagestan im Kaukasus.