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International Zehn Jahre Sars: Bereit für das nächste Virus?

Vor zehn Jahren starben mehrere Hundert Menschen an der Atemwegsseuche Sars. Seither ist es still um die Krankheit geworden. Vor einigen Monaten tauchte allerdings ein ähnlicher Erreger bei einigen Patienten auf.

Im Februar 2003 reiste ein Mediziner aus der südchinesischen Provinz Guangdong nach Hongkong und checkte in einem Hotel ein. Der Gast aus Zimmer 911 hustete und hatte Fieber. Er wurde zum Superverbreiter der ersten Epidemie des neuen Jahrtausends: des Schweren Akuten Respiratorischen Syndroms (Sars).

Dunkelziffer

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte das Virus am 12. März 2003 als weltweite Bedrohung ein. «Ein grosser Teil der Pandemie geht auf diesen Mann zurück», sagt Christian Drosten, Direktor am Institut für Virologie der Universität Bonn. Damals kursierte die Krankheit rund um Guangdong schon seit Monaten.

Der Gast aus Zimmer 911 steckte vor seinem Tod Anfang März etwa ein Dutzend Hotelgäste und Pflegekräfte im Spital an. Die WHO errechnete später, dass etwa die Hälfte der rund 8000 weltweit registrierten Sars-Fälle auf ihn zurückgingen. Rund 800 Menschen starben an der Atemwegsseuche – die Dunkelziffer liegt wohl höher.

Schweizer festgehalten

Nicht nur bei Forschern und Politikern stieg der Stresspegel. In ganz China ging die Angst um. Der Schweizer Chris Faschon wurde von seinem damaligen Arbeitgeber in China über vier Wochen an der Ausreise gehindert. Er arbeitet heute als Redaktor bei SRF. «Sie stellten bewaffnete Sicherheitskräfte an die Tore des Geländes, und berichteten uns zeitgleich, dass Sars nicht existiere. Es sei eine Erfindung des Westens, weil dieser neidisch sei auf das Wirtschaftswachstum Chinas.»

Eine Schweizer Zeitung interviewte ihn, aber ohne seinen Namen zu drucken. «Die chinesischen Medien berichteten gar nicht, oder dann pro Peking. Als bekannt wurde, woher Ausländer ihre Informationen bekamen, wurden uns das Internet und das internationale Fernsehen gekappt. Personen mit Sars-Symptomen wurden nicht in die Spitäler aufgenommen. Damit blieb die Statistik sauber.»

Über verschlungene Wege erreichte der damals 24jährige Peking und den letzten Flug, bevor der dortige Flughafen geschlossen wurde. Das Schweizer Fernsehen wartete mit Kameras auf die Swiss-Passagiere, die alle Schutzmasken trugen.

Infektionen mit ähnlichem Virus

Beta-Coronavirus Sars

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Coronaviren werden durch Tröpfcheninfektion übertragen. Sie lösen beim Menschen vor allem Erkältungssymptome aus. Das Sars-Virus gehört zu der Gruppe der Beta-Coronaviren, ebenso wie ein neues Virus, das im Juni 2012 aufgetaucht ist. An ihm sind bislang 13 Menschen erkrankt und sieben gestorben.

Umso aufmerksamer reagierte die weltweite Forschergemeinschaft, als im letzten Jahr neue Infektionen mit einem ähnlichen Virus bekannt wurden. Über ein Dutzend Fälle registrierte die WHO bislang. Die Patienten stammten vor allem aus dem Nahen und Mittleren Osten; sieben überlebten die Infektion nicht.

Der neue Erreger gehört wie das Sars-Virus zu den Coronaviren (siehe Box). Das Virus müsse weiter analysiert werden, sagt eine Sprecherin des Robert-Koch-Instituts. Infektionsquelle und Übertragungsweg seien noch nicht bekannt, die Behörden aber vorgewarnt.

Ärger über chinesische Behörden

Nicht so bei Sars: Es habe anfangs schon grosse Verärgerung über die verzögerten Informationen aus China gegeben, sagt RKI-Präsident Reinhard Burger in Berlin. Ein Teil der Krankheits- und Todesfälle wäre andernfalls vielleicht ebenso vermeidbar gewesen wie die immensen wirtschaftlichen Folgen. Glücklicherweise sei das Sars-Virus nicht so leicht übertragbar gewesen wie etwa Grippe, so Burger weiter.

Die WHO gab für Hongkong und Guangdong schliesslich eine Reisewarnung aus – und damit erstmals für eine Region, in der kein Krieg herrscht. Es wurden rasch Erfolge erzielt: Forscher identifizieren Ende März 2003 das Virus. Die gute Zusammenarbeit von Wissenschaftlern sei ein wesentliches Erfolgskriterium gewesen, betont Burger. «Es gab keine Geheimnistuerei, es war Teamarbeit.»

Europa für den Ernstfall gerüstet

Die Forscher sehen Europa auch für einen neuen Ernstfall gut gerüstet. «Es gab eine massive Verstärkung der europäischen Netzwerke», sagt Stephan Günther, Leiter der Abteilung Virologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Burger verweist auf neue Verfahren zum Schnellnachweis von Erregern.

Das Sars-Virus war wahrscheinlich von Fledermäusen über verspeiste Wildtiere auf den Menschen übergegangen. «Aber das Virus, also genau dieses Virus, hat man gar nicht wiedergefunden in der Natur», sagt Christian Drosten. «Es kann sein, dass es das gar nicht mehr gibt.» Der Ausbruch 2003 war im Sommer beendet, nach einem kurzen Aufflammen einige Monate später gab es keine weiteren Fälle mehr.

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