Täter schneiden ihren Opfern Nasen, Ohren oder Brustwarzen ab, Menschen werden geköpft – so etwas passiert derzeit in der Zentralafrikanischen Republik, jeden Tag.
SRF-Korrespondent Patrik Wülser war vor Ort und weiss: Es reicht den Kämpfern nicht, zu morden – es muss auch so grausam wie möglich sein. Das bestätigten ihm Ärzte in der Hauptstadt Bangui. Die Waffen dazu: Macheten, Messer, Pfeil und Bogen.
Muslime auf der Flucht
Die Unruhen entspringen einem Zyklus von Rebellion und Gegenrebellion. Im März 2013 hatten muslimische Seleka-Rebellen den christlichen Präsidenten François Bozizé gestürzt und als Nachfolger Michel Djotodia an die Macht gebracht, den ersten muslimischen Präsidenten in der Geschichte des Landes. Dieser löste die Seleka offiziell auf, doch die Gewalt – vor allem gegen die christliche Mehrheit im Land – nahm weiter zu.
Als Gegenbewegung formierten sich die christlichen Anti-Balaka-Milizen. Sie begannen ihre Vergeltungsschläge gegen die Seleka. Seither werden die Muslime gezielt verfolgt und getötet – ob sie nun Rebellen sind oder nicht.
Mit dem Morden kommt der Hunger
Der Konflikt lässt sich aber nicht auf Spannungen zwischen Christen und Muslimen reduzieren, wie Wülser betont. Die Leute seien seit Jahrzehnten miteinander ausgekommen, religiöse Konflikte hätten in dem Land bislang keine Rolle gespielt. Vielmehr die Unterentwicklung der ländlichen Gebiete sowie die Vernachlässigung bestimmter Regionen sind die Ursache. Menschengruppen fühlen sich benachteiligt. Sie hätten nichts mehr zu verlieren und liessen sich mobilisieren, so Wülser. Die Religion wird für politische Ziele missbraucht.
Die Muslime sind in Zentralafrika traditionell Händler und Geschäftsleute, während der Grossteil der Christen vom Ackerbau lebt. Nun sind die Muslime auf der Flucht, der Lebensmittelhandel liegt brach. Die Leute hätten nichts mehr zu essen, so Wülser.
Friedenstruppen reichen bei weitem nicht
Die Europäer wollen mit verstärktem Einsatz das Blutvergiessen stoppen. Frankreich hat bereits 1600 Soldaten in dem Krisenland stationiert. Zudem sind über 4000 afrikanische Blauhelmsoldaten vor Ort.
Doch das Land ist so gross wie Frankreich, gibt Wülser zu bedenken – ein Regenwaldgebiet, ohne asphaltierte Strassen. Ruhe in das Land zu bringen, sei mit 5000 bis 7000 Mann eine unmögliche Aufgabe. Hierfür bräuchte es wohl 30‘000 bis 40‘000 Soldaten.
Reichtum des Landes nur für Elite
Zentralafrika ist reich an wertvollen Rohstoffen und dennoch bitterarm. Für die Bevölkerung scheinen die Bodenschätze eher ein Fluch als ein Segen. So berichtet Wülser: «Da steht man in einem Zelt der Unicef, umgeben von hungernden Kindern, die teilweise nicht einmal mehr die Kraft haben zu schreien und mit Sonden ernährt werden – und man weiss, man steht auf einem Boden, in dem ein Vermögen steckt. Ein Vermögen, mit dem man die Leute wunderbar ernähren könnte.» Doch die Gelder fliessen zu einer kleinen Elite ab. Diese schaut für ihren Clan, für ihre Ethnie. Aber nicht für die Allgemeinheit.
Dennoch gebe es Hoffnung, meint Wülser. Die Menschen ertragen die Situation mit Optimismus und Würde, man hilft sich gegenseitig. «Die Leute scheinen viel resistenter, als wir in Europa.»