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International Zugunglück in Bayern: Spekulationen über menschliches Versagen

Das Zugunglück bei Bad Aibling hat zehn Tote und gut 80 Verletzte gefordert. Es soll auf menschliches Versagen zurückgehen. Der Grund sei eine «verhängnisvolle Fehlentscheidung» eines Bahnmitarbeiters, berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Offiziell bestätigt wurde dies jedoch noch nicht.

Das schwere Zugunglück in Bayern mit zehn Toten ist laut ersten Ermittlungen auf menschliches Versagen zurückzuführen. Ein Bahnarbeiter soll das automatische Signalsystem ausnahmsweise ausser Kraft gesetzt haben, um einen verspäteten Triebwagen noch «quasi von Hand durchzuwinken», berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Das Netzwerk, dem mehr als 30 Tageszeitungen angehören, berief sich auf Ermittlerkreise. Ein Polizeisprecher wollte sich nicht zu dem Bericht äussern. Die Ermittlungen würden noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Die Spezialisten hätten mit ihrer Ermittlungsarbeit gerade erst begonnen, sagte er der Nachrichtenagentur AFP.

Polizei rechnet nicht mit weiteren Toten

Laut einem Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd rechnen die Beamten nicht mit weiteren Todesopfern. Nachdem alle Personalien abgeglichen worden seien, dürfte sich kein Opfer mehr in den beiden Zügen befinden: «Es wird keine elfte Leiche geben», so der Sprecher.

Er zeigte sich zudem zuversichtlich, dass alle Schwerverletzten überleben würden. «Wir dürfen optimistisch sein.» Eines der schwerverletzten Unfallopfer war am Dienstagabend seinen Verletzungen erlegen. Insgesamt waren damit zehn Menschen gestorben, 17 wurden schwer verletzt, 63 leicht.

An der Unfallstelle selbst haben die Bergungsarbeiten begonnen. Ein erster Spezialkran ist angekommen, er hat eine Tragkraft von 160 Tonnen, wie die Deutsche Bahn mitteilte. Ein weiterer Kran steht auf Abruf bereit. Die Bergung der beiden Züge werde mindestens zwei Tage dauern, wie die Rettungskräfte vor Ort schätzen.

Viele Pendler an Bord

Nach bisherigen Erkenntnissen sind zwei «Meridian»-Nahverkehrszüge der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) auf der eingleisigen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim mit hoher Geschwindigkeit frontal ineinander gefahren. Dabei wurden 80 der rund 150 Zugpassagiere zum Teil schwer verletzt.

In den Zügen auf dieser Strecke sitzen morgens zahlreiche Pendler, von denen viele weiter nach München fahren. Zum Glück seien keine Schüler in den Zügen gewesen, sagte ein Polizeisprecher, weil in Bayern derzeit Faschingsferien sind.

Die Unglückstelle liegt in einer Kurve zwischen Bad Aibling und dem Bahnhof Kolbermoor. Beim Zusammenstoss der zwei «Meridian»-Züge verkeilten sich die Triebwagen ineinander. Ein Zug entgleiste und mehrere Waggons kippten um.

Kein Sichtkontakt in der Kurve

«Der eine Zug hat sich in den anderen hineingebohrt und die Kabine des zweiten Zuges komplett auseinandergerissen», schilderte der Bundesminister für Verkehr, Alexander Dobrindt (CSU) an einer Medienkonferenz in Bad Aibling. Man gehe davon aus, dass die Lokführer vorher keinen Sichtkontakt hatten, denn «die zwei Züge sind nahezu ungebremst aufeinander getroffen», sagte Dobrindt.

In den Zügen befänden sich insgesamt drei Geräte für die elektronische Fahrtenregistrierung, vergleichbar mit Black Boxen in der Luftfahrt. Zwei davon seien bereits geborgen worden. «Nun müssen wir auf die Ergebnisse warten – alles andere wäre Spekulation», so Dobrindt weiter.

Der Unfall ist eigentlich nicht möglich, denn die Eisenbahnstrecke wird mit dem «Punktförmigen Zugbeeinflussung» PZB kontrolliert – «ein System, das automatisch dafür sorgen soll, dass das Aufeinandertreffen von Zügen nicht stattfindet. Bei diesem System werden Züge zwangsgebremst, wenn sie unberechtigt auf einer Strecke sind, Signale überfahren oder Ähnliches», schilderte Dobrindt.

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Das PZB war erst in der vergangenen Woche ohne Auffälligkeiten im Rahmen einer Routineuntersuchung kontrolliert worden, sagte der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn (DB) für Bayern, Klaus-Dieter Josel.

Dass es trotz dieser Sicherheitsmassnahme zu einem solchen Ereignis kommen konnte, ist für den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann unfassbar. Gemäss Fahrplan hätten sich die «Meridian»-Züge um 06:44 Uhr in Kolbermoor auf der einspurigen Strecke kreuzen müssen. «Weshalb es eine Abweichung gegeben hat, müssen wir jetzt untersuchen.»

Riesiges Aufgebot an Helfern

Die Bergungsarbeiten gestalteten sich extrem schwierig, weil die Unglücksstelle in einem Waldstück an einer Hangkante neben dem Flüsschen Mangfall liegt. Die Verletzten konnten darum nur über die Gleise oder teilweise mit Booten über das Wasser transportiert werden. Selbst die Bergwacht stand im Einsatz. Opfer wurden auch in Bergungssäcken mit Seilwinden an Helikopter hochgezogen und ans andere Ufer gebracht.

Insgesamt standen rund 700 Rettungskräfte im Einsatz, vereinzelt gar aus Österreich. Mehr als ein Dutzend Helikopter flogen Verletzte in umliegende Spitäler. Dort wurden alle geplanten Operationen sofort abgesagt, um die Verletzten versogen zu können. Die Bevölkerung wurde zum Blutspenden aufgerufen.

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