Niederlage für den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan: Die türkische Justiz hat das umstrittene Bauprojekt am Gezi-Park in Istanbul vorerst gestoppt. Es begründet die Entscheidung damit, dass die Bewohner über das Vorhaben nicht ausreichend informiert wurden.
Urteil bereits Anfang Juni gefällt
Ein Verwaltungsgericht habe bereits Anfang Juni geurteilt, dass das Vorhaben unter anderem Vorgaben zur Bestandserhaltung verletze, sagte ein Anwalt, der gegen die Überbauung geklagt hatte.
Der Bebauungsplan verletze geltende Schutzrechte und die Identität des Taksim-Platzes sowie des angrenzenden Gezi-Parks, hiess es nach Angaben der Zeitungen «Zaman» und «Hürriyet» in der weiteren Urteilsbegründung. Eine offizielle Reaktion Erdogans liegt noch nicht vor. Im Vorfeld der Entscheidung hatte der Regierungschef aber versichert, die Entscheidung der Justiz zu akzeptieren. Gegen die Entscheidung kann Berufung eingelegt werden.
«Zwischensieg» für die Demonstranten
«SRF 4» hat mit der Istanbuler Journalistin Luise Sammann gesprochen. Sie bewertet das Urteil als «kleinen Zwischensieg» für die Demonstranten. «Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass der Ministerpräsident seine Pläne nicht umsetzen kann. Deswegen ist es so wichtig für die Demonstranten», sagte sie.
Die Protestierenden würden nun aber nicht nach Hause gehen, denn Themen wie die Polizeigewalt oder fehlende Demokratie seien durch das Gerichtsurteil natürlich nicht behoben. Die Proteste gingen weiter, wenn auch in anderer Form. Weil der Gezi-Park gesperrt ist, verteilen sich die Demonstranten auf die anderen Parks in Istanbul. Es sei keine homogene Gruppe, es eine sie aber die «Ablehnung der Regierung Erdogan», so Sammann.
«Viele Türken halten aber natürlich fest zu Erdogan und die sitzen natürlich nicht abends in Parks und diskutieren.» Einige würden Erdogan sogar wie eine Art Heilsbringer feiern. «Die türkische Gesellschaft ist vielleicht gespalten wie nie zuvor», berichtete die Journalistin.
Gewalttätige Proteste
Die Pläne, auf dem Taksim-Platz in Istanbul ein Einkaufszentrum zu bauen, hatte vor einigen Wochen heftige Proteste ausgelöst. Diese gingen in die teils gewalttätigen Massendemonstrationen über, die sich gegen die konservative Regierung von Ministerpräsident Erdogan richteten.