«Früher war ich auf Google, aber seit es gesperrt ist, gehe ich nicht mehr drauf. Das ist mir zu mühsam», sagt ein Passant auf den Strassen Shanghais. Und legt gleich nach: «Jedes Land hat doch gewisse Einschränkungen, nicht nur China. Freiheit ist eben nicht unbegrenzt».
Information und Nationalismus
Die Sperre, auf die sich der Passant bezieht, ist die «Great Firewall of China», eine Anspielung auf die Grosse Mauer: Die Internetzensur, die Chinas Internet derart abschottet, ist so wirksam, dass im Volksmund mittlerweile von einem internen und externen Internet die Rede ist.
Ein 25-jähriger Jura-Student, der lieber anonym bleiben will, ist einer, der dieses externe Internet erreichen möchte. Er nutzt verschiedene Apps, die verschleiern, dass er Webseiten wie CNN, dessen Inhalte oft nicht zugänglich sind oder die Wikipedia, die im internen Internet gesperrt ist, besucht.
Doch nicht nur Regierungskritiker überwinden die Internetsperren, auch Regierungsanhänger. Xiao Li – ein Pseudonym – ist ein «kleiner rosaroter Patriot», wie sie auf Chinesisch spöttisch heissen. Er verwendet dieselben Apps wie der Student, verteidigt damit aber die chinesische Nation auf westlichen Plattformen wie Facebook oder Twitter. Seit er auf diesen Seiten unterwegs sei, habe er gesehen, wie schlecht da über China geredet werde – die Mauer der Zensur sei darum nötig.
Sie ist wie eine Hausmauer, die einen schützt, erst dann fühlt man sich in den eigenen vier Wänden wohl. Manchmal geht man – wie ich – eben aus dem Haus, aber wenn man immer draussen ist, dann droht man zu erfrieren oder wird von wilden Tieren angegriffen.
Drinnen gibt es schon alles
Der Student und Xiao Li sind jedoch eine Minderheit. Laut der US-Nichtregierungsorganisation «Freedom House» besuchen gerade mal 20-30 Millionen Chinesinnen Internetseiten, die in China gesperrt sind. Verschwindend wenig gegenüber den über 800 Millionen Internetnutzern Chinas.
Einer der Gründe: Die inländische Internetzensur funktioniert bereits ziemlich gut. Internetkonzerne müssen seit einigen Jahren selber Vorzensur auf ihren Plattformen betreiben, um Scherereien mit der Regierung zu vermeiden. Schon deswegen ist es schwierig zu erfahren, dass es dieses «externe» Internet überhaupt gibt.
Man vergisst schnell: Millionen in China haben zum ersten Mal in ihrem Leben einen Internetanschluss – sie wissen nicht, dass es diese Internetzensur gibt, bis es sie persönlich betrifft.
Hinzu kommt: Der chinesische digitale Markt hat sich über die Jahre hinweg immer mehr abgeschottet, auch aufgrund der Zensur und entsprechenden Gesetzen. Ausländische Unternehmen müssen etwa mit lokalen Partnern zusammenarbeiten und ihre Anwendung in einer «China-Version» anbieten. Dadurch ist ein eigenes, digitales Ökosystem entstanden.
Autoritäres Vorbild
Trotzdem ist es nicht das Ziel der Regierung, das chinesische Internet komplett abzuriegeln. Es reicht, den Zugriff auf das externe Internet schwierig genug zu gestalten, um die grosse Masse davon abzuhalten.
Schwerpunktthema bei SRF Digital
Das heisst, es geht um eine kritische Masse: Hilft eine IT-affine Chinesin sich und ihren Freunden, CNN zu lesen, muss sie keine Probleme befürchten. Würde sie jedoch daraus ein Geschäft machen, hiesse das Ärger. In einem solchen Fall wurde 2017 bereits ein Mann zu mehreren Jahren Haft verurteilt, weil er eben eine ähnliche Dienstleistung angeboten hatte.
Mit seinem Vorgehen ist China ein Vorbild des «digitalen Autoritarismus» für anderen autoritären Staaten – sowohl Iran wie auch Russland streben ein eigenes, nationales Netz an, um Inhalte innerhalb des eigenen Herrschaftsgebiets kontrollieren können. So wurde in Russland kürzlich ein Gesetz erlassen, das sämtlichen Internetverkehr über staatlich kontrollierte Knotenpunkte leiten soll. Für die Regierung dient dies der nationalen Sicherheit, Kritikerinnen befürchten jedoch Zensur und Isolation.