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Es gibt sich widerstrebende Tendenzen in Iran
Aus SRF 4 News aktuell vom 13.01.2020.
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Iran im Umbruch? «Iraner wählen nicht frei»

Die iranische Bevölkerung schien geeint, als Hunderttausende auf die Strassen gingen und gegen die Tötung General Soleimanis durch die USA demonstrierten. Nachdem Iran aber versehentlich ein Passagierflugzeug abgeschossen hat, protestieren die Menschen jetzt gegen ihre Führung. Die Islamwissenschaftlerin und Journalistin Katajun Amirpur erklärt die Lage.

Katajun Amirpur

Professorin für Islamwissenschaften, Uni Köln

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Amirpur ist ordentliche Professorin an der Universität Köln. Ihre Forschungssschwerpunkte liegen auf iranischer Intelektuellengeschichte, Islam und Gender, Reform des Islams und dem schiitischen Islam. Amirpur verfasst auch Bücher über den Iran.

SRF News: Ist in Iran der Groll gegen die Regierung neu aufgeflammt?

Katajun Amirpur: Man hatte in den letzten Tagen das Gefühl, die Bevölkerung stehe vereint hinter dem Regime. Aber das ist wieder aufgebrochen. Allerdings sind 3000 Leute, die in Teheran demonstrieren, noch keine Grosskundgebung.

Soleimani war ein Volksheld, denn er hat es geschafft, dass der IS auch an der iranischen Grenze gestoppt wurde.

Je nach Bericht haben zwischen ein paar Hundert und ein paar Tausend Menschen an dieser Demonstration gegen das Regime teilgenommen. In einer 14-Millionenstadt wie Teheran ist das nicht viel?

Nein. Für die Demonstrationen für Soleimani letzte Woche waren viele Leute hergebracht worden. Auf der anderen Seite gingen da auch viele Leute aus eigenem Interesse hin. Im Westen weiss man das zwar nicht, aber Soleimani war ein Volksheld, denn er hatte es geschafft, dass der IS an der iranischen Grenze gestoppt wurde.

Sind die Zahlen der Protestierenden überhaupt aussagekräftig, wenn man nicht weiss, wer freiwillig teilnimmt und wer aus Angst nicht teilnimmt?

Sie sind auf die eine oder andere Weise aussagekräftig. Es gibt viele, die für das Regime demonstrieren. In den letzten zwei Tagen wurde klar, dass auch viele Leute gegen das Regime protestieren. Vielleicht waren es zum Teil dieselben Leute, weil man durchaus pro Soleimani und trotzdem gegen die Lügen des Regimes sein kann.

Was war schlimmer, dass das Flugzeug abgeschossen wurde oder dass die Führung versucht hat, die Tat zu vertuschen?

Dass sie es vertuscht haben. Die Führung hat nicht verantwortungsvoll reagiert. Sie hätte in dem Moment sagen müssen, dass etwas passiert sei und man noch nicht genau wisse, was. Stattdessen hat sie die Aufklärung der Absturzursache behindert.

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Neue Proteste in Iran
Aus Tagesschau vom 12.01.2020.
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Selbst aus Kreisen, die hinter Chamenei und den Revolutionsgarden stehen, kommt Kritik. Der Chefredaktor der Nachrichtenagentur Tassnim, die als Sprachrohr der Revolutionsgarden gilt, sagte, die Öffentlichkeit zu belügen sei ebenso katastrophal wie die Flugzeug-Tragödie. Ist das aussergewöhnlich?

Das ist eine sehr aussergewöhnliche Bemerkung. Man sollte von Offiziellen nicht erwarten, dass sie so deutliche Kritik üben. Aber er hat recht, dass die Bevölkerung so belogen wird, ist genau so schlimm.

Es gibt Videos, auf denen der Rücktritt des obersten Führers, Chamenei, gefordert wird. Ist das neu oder hat es das früher auch gegeben?

Das gab es früher schon. 2009, als gegen mutmassliche Wahlfälschung demonstriert wurde, wurden diese Rufe auch laut. Schon damals hat man den geistlichen Führer direkt angegriffen, weil er für alles verantwortlich gemacht wird, was mit diesem Regime zu tun hat.

Wie beeinflussen die jüngsten Entwicklungen die kommenden Wahlen?

Das kann man noch nicht sagen. Iraner wählen nicht frei, das wissen wir alle. Es kommt drauf an, wer zu den Wahlen zugelassen wird.

Trotz der Sanktionen gibt es viele junge Menschen, die für ihr Land einstehen.

Selbst wenn reformorientierte Leute ins Parlament kommen, gibt es für jeden einzelnen Parlamentsbeschluss andere, die drüber sitzen und das wieder abbügeln können. Doch trotz der Sanktionen gibt es viele junge Menschen, die für ihr Land einstehen. Wenn man überhaupt etwas verändern kann, dann ist es längerfristig über diese sehr lebendige Zivilgesellschaft.

Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.

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