Seit Mitte Oktober wird in Rom vier hochrangigen Mitglieder des ägyptischen Geheimdienstes der Prozess gemacht. Sie sollen den italienischen Studenten Giulio Regeni vor fünf Jahren in Ägypten entführt, gefoltert und kurz darauf ermordet haben. Die Angeklagten, ein General, zwei Obersten und ein Major, sind allerdings abwesend.
Regeni recherchierte damals für seine Doktorarbeit über unabhängige ägyptische Gewerkschaften. Im Februar 2016 wurde der leblose Körper des 28-jährigen Triesters auf dem berühmten Tahrir-Platz in Kairo gefunden. Er lag in der Nähe einer Haftanstalt des Geheimdienstes und wies Spuren schwerer Misshandlungen auf.
Ägypten bestreitet alles
Das offizielle Ägypten stritt von Anfang an jegliche Mittäterschaft ab. Erst hiess es, Regeni sei Opfer eines Verkehrsunfalls geworden. Weitere Versionen drehten sich um einen Rachemord mit homosexuellen Hintergründen oder wegen Rauschgiftdelikten und um einen Raubmord.
Zu einer ernsthaften Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden kam es nie. Ägypten verweigerte die Herausgabe der Videoüberwachung ebenso wie Informationen über die Funkdaten von Regenis Handy-Kommunikation. Auch die Obduktion des Leichnams nahmen Ägypten und Italien getrennt vor.
Regeni angeblich wegen Spionage observiert
Erst sechs Monate nach dem Fund gaben die Ägypter überhaupt zu, dass Regeni vom Geheimdienst observiert wurde – als mutmasslicher Spion im Auftrag der britischen Regierung. Ägypten hat mittlerweile die Ermittlungen eingestellt.
Italien kämpfte regelrecht um den Prozess für seinen Staatsbürger. Das jetzige Verfahren hat das grosse Problem, dass Ägypten zu keiner Zeit daran dachte, die vier angeklagten Geheimdienstmitarbeiter nach Rom zu schicken. Kairo lieferte nicht einmal eine Adresse, um die Anklageschrift zusenden zu können, wie SRF-Fernsehkorrespondent Philipp Zahn in Rom erklärt.
Ein Regierungssystem vor Gericht
Ungeachtet dessen wird nun erstmals in Europa ein ausländisches Regierungssystem, die ägyptische Militärdiktatur, mit schwerwiegenden Anschuldigungen bezüglich Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit konfrontiert. Die italienische Regierung hat angekündigt, im Prozess als zivile Nebenklägerin aufzutreten.
Nicht zuletzt will der Rechtsbeistand der Familie Regeni unter anderem den ägyptischen Präsidenten al-Sisi wie auch den damaligen Innenminister in den Zeugenstand rufen, was ein einmaliger Vorgang sei, so Zahn.
Verlauf des Verfahrens schwer absehbar
Ob es unter den schwierigen Voraussetzungen zu einem wirklichen Prozess kommt, sei schwer abschätzbar, da keine Angeklagten anwesend sind. Es werde also allenfalls ein Verfahren geben, wo virtuell gegen Angeklagte gesprochen werde. Mit ungewissen Aussichten, ob es überhaupt abgeschlossen werden kann, wie der Korrespondent erklärt.
Der Fall Giulio Regeni hat die Beziehungen der beiden Länder stark belastet und die bilateralen Beziehungen auf einen Tiefpunkt gebracht. Viele Ägypterinnen und Ägypter leben in Italien, und gross ist auch die italienische Gemeinde in Ägypten. Gleichzeitig wurde der Fall international aufgerollt. Zuerst von Amnesty International. Dazu kamen 2016 und 2020 Petitionen vom Europaparlament, die Ägypten zur Mitarbeit im Fall Regeni aufforderten. Italien hatte seinen Botschafter 2016 für anderthalb Jahre aus Kairo abgezogen.