Die italienische 5-Sterne-Bewegung hat am Wochenende einen Parteikongress durchgeführt. Pandemiebedingt wurde er virtuell abgehalten. Dabei redete man über die Zukunft des Movimento Cinque Stelle und darüber, wie sich die Partei neu aufstellen soll. SRF-Korrespondent Franco Battel vermutet, dass die Bewegung selbst nicht so genau wisse, wohin sie künftig will. Doch sie habe am Parteitag einige Pflöcke eingeschlagen.
Zurück zu den alten Strukturen
«Die Cinque Stelle wollen zurück zu einer kollektiven Führung. Das heisst, das Experiment mit einem politischen Chef ist abgeschlossen», berichtet Battel. Man wolle zurückkehren zu einem Direktorium, das die verschiedenen Seelen der Bewegung verkörpere. Am Rotationsprinzip wolle man aber festhalten: nach zwei Amtszeiten ist Schluss. Viele der jetzigen Amtsträger, darunter auch di Maio, dürfen bei den nächsten Wahlen nicht mehr kandidieren.
Zurück zu den Wurzeln also? Nur vordergründig, meint der Korrespondent. Rotationsprinzip und kollektive Führung seien sicher unkonventionelle Elemente in der italienischen Politlandschaft. «Aber sonst ist die Bewegung sehr konventionell und pragmatisch geworden. Am klarsten sieht man das wahrscheinlich an der Figur des vom Movimento Cinque Stelle nominierten Regierungschefs Giuseppe Conte.»
Conte – ein radikaler Pragmatiker
Conte sei ein «nahezu radikaler Pragmatiker». Zuerst regierte er mit der rechten Lega, heute mit der Mitte-Links-Partei Partito Democratico. «Dabei warf er verschiedene Dogmen über Bord. So soll nun etwa die Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin – Lyon gebaut werden. Dagegen hatte sich das Movimento während Jahren gewehrt.» Und von direkter Demokratie, die das Movimento einst vorwärtstreiben wollte, sei heute nicht mehr die Rede.
Das bedingungslose Grundeinkommen hat die Regierung Conte zwar eingeführt, aber es ist bis zur Unkenntlichkeit geschrumpft.
Auch dem von den Cinque Stelle geforderten Grundeinkommen ging es an den Kragen: «Den ‹Reddito di Cittadinanza› hat die Regierung Conte zwar eingeführt, aber er ist bis zur Unkenntlichkeit geschrumpft. Was eigentlich gedacht war als bedingungsloses Einkommen, ist heute einfach noch zusätzliches Sozialgeld», so Battel. Die idealistische 5-Sterne-Bewegung ist schnell in der Realität der italienischen Politik angekommen.
Bewegung zehrt vom Erfolg von gestern
Die Cinque Stelle gewannen 2018 die Wahlen und sind im Parlament die mit Abstand stärkste Kraft. «Seither hat das Movimento allerdings einen beispiellosen Abstieg erlebt», sagt Battel. In keiner Region Italiens hat das Movimento seither eine Mehrheit und damit Regierungsmacht gewinnen können. Bei der Europawahl 2019 stürzte es auf den dritten Platz. «Die Bewegung zehrt vom Erfolg von gestern. Und wird damit zu einem stabilisierenden Faktor.» Neuwahlen wolle sie deshalb derzeit sicher nicht – sie wisse, sie könne nur verlieren.
Organisatorisch kehren die Cinque Stelle nun zwar zu ihren Wurzeln zurück. Matchentscheidend werde dies aber nicht sein, glaubt Battel. «Entscheidend wird sein, wie diese Bewegung in dieser schwierigen Zeit agiert, ob sie das Land sicher durch diese Pandemie führt.»