Kurz nach dem Krieg entstand auch eine neofaschistische Partei, der die heutige Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in ihrer Jugend angehörte. Das ist einer der Gründe, warum Italien derzeit wieder intensiver über den Faschismus diskutiert. Derzeit läuft eine Fernsehserie über das Leben Benito Mussolinis, die auch von vielen Jungen gesehen wird. Diese Serie und diverse Bücher treiben die Diskussion über die Vergangenheit neu an.
Michela Ponzani ist Historikerin in Rom. Sie sagt: «Lange Zeit verharmlosten viele Italiener und Italienerinnen den Faschismus als ein operettenhaftes Regime. Immer wieder hörte man: Mussolini habe auch Gutes getan.» Etwa die Pontinischen Sümpfe südlich von Rom trockengelegt. Oder Wohnungen und Strassen gebaut.
Eine Serie auf dem Fernsehsender Sky zeigt aber ein ganz anderes Bild von Mussolinis, ein viel realistischeres: «Für Mussolinis Faschisten gab es keine Gegner», sagt Historikerin Ponzani, «sondern nur Feinde, die es zu vernichten galt.» Die Serie zeigt, wie Mussolini von allem Anfang an schlagen, foltern und morden liess.
Gefährliche Verharmlosung
Diese Erkenntnis ist nicht neu. Doch in Italien hat man sie lange unter den Teppich gekehrt: «Wir machten es uns im Nachkrieg zu bequem, zu einfach», sagt Ponzani. Es sind jüngerer Historiker und Historikerinnen, die die Aussage «Mussolini habe auch Gutes getan», als gefährliche Verharmlosung entlarven.
Besonders eindrücklich tut dies seit Jahren Antonio Scurati. Er schrieb Bücher über Mussolini, die als Bestseller ein Millionen-Publikum erreichen. Die Fernsehserie basiert auf Scuratis Büchern und spricht auch ein junges Publikum an, das oft nur wenig über den Faschismus weiss.
Italien «nur» als Opfer
Die Debatte neu zu führen, sei wichtig, sagt Ponzani. Denn Italien schaffte es nach dem Krieg, sich trotz Mussolini, trotz faschistischer Verbrechen, als Opfer darzustellen: «Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Italien eine nationale Erinnerungskultur konstruiert und sah Italien als Opfer.» Denn man erinnerte sich nur an einen Teil der Geschichte, nämlich an den heroischen Widerstand gegen Mussolini, an die Resistenza, an die Partisanen.
Die gab es zwar auch und die waren wichtig. Aber diese einseitige Erinnerungskultur unterschlug oder banalisierte die Verbrechen der Faschisten, die Deportation von Juden und Jüdinnen oder die Kriegsverbrechen in den italienischen Kolonien wie in Abessinien.
Und jene Partei, in der Premierministerin Giorgia Meloni gross geworden ist, den Neofaschisten und heute den Fratelli d'Italia, erzählt man die Mär von den guten Dingen, die der Duce getan habe, zum Teil bis heute weiter.
Historikerin Ponzani aber stellt klar: Der italienische Faschismus wollte seine politischen Gegner vernichten. Zahlreiche Bücher und jetzt die Serie zeigen Italien das ungeschminkte, das wahre Gesicht des Faschismus. Das löste in Italien eine breit geführte, emotionale Debatte aus. Die ist vor allem den Parteien am rechten Rand noch heute sehr unangenehm.
Dabei, sagt die Historikerin Ponzani, sei diese Diskussion enorm wichtig: «Die Serie über Mussolini sagt viel über unsere Gegenwart. Sie zeigt uns, wie zerbrechlich die Demokratie ist.». Die Freiheit müsse man verteidigen. Das sei damals gegen Mussolini und die Faschisten nicht gelungen.