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Italiens arbeitslose Jugend Lieber bei der Camorra als arbeitslos

Wo der Staat scheitert, breitet sich das organisierte Verbrechen aus: In Süditalien findet nur jeder zweite Jugendliche einen Job. Und so ist in den Armutsvierteln Neapels die Camorra die einzige «Firma», die freie Stellen zu bieten hat.

Italien kämpft noch immer mit den Folgen der Wirtschaftskrise. Darunter leidet vor allem die Jugend im Süden des Landes. Die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren ist auf bis zu 60 Prozent gestiegen. Auch für gut Ausgebildete in Neapel und anderen Städten des Südens bleiben Job und Karriere ein Traum, der fast nie in Erfüllung geht.

Die Camorra bietet Jobs

Ein «Sektor» aber kennt keine Job-Krise: das organisierte Verbrechen. Die Clans der Camorra bieten immer Jobs, auch in Krisenzeiten. In den Armutsvierteln Neapels locken die Clans mit schnellem Geld, wie Enrico Maria Spina, Einsatzleiter der Staatspolizei in Neapel, der «Rundschau» erklärt. Nicht selten seien auch Teenager auf der Gehaltsliste. «Der hohe Lohn ist attraktiv», sagt Spina. So würden viele Junge eine kriminelle Karriere einschlagen.

In einigen Gebieten hat die Camorra den Staat ersetzt.
Autor: Don Antonio Carbone Priester

«Es ist schnelles, schmutziges Geld», sagt Don Antonio Carbone, Leiter des Erziehungsheims «Mamma Matilde» bei Neapel. Der katholische Priester versucht in seinem Heim, kriminelle Jugendliche wieder auf die «legale» Bahn zu bringen. «Es ist traurig, aber in einigen Gebieten hat die Camorra den Staat ersetzt», so Don Antonios bittere Erkenntnis. Für Jugendliche in den Armutsvierteln sei das Camorra-Geld oft die einzige Möglichkeit, überhaupt ein «Einkommen» zu verdienen.

2000 Euro die Woche

Im Heim «Mamma Matilde» treffen wir Giorgio. Er ist 16 Jahre alt, verurteilt wegen Mordversuch, Drogenhandel und Waffenbesitz. «In der Regel verdient ein 14-Jähriger auf der Strasse bis zu 2000 Euro die Woche für den Verkauf von Kokain und Heroin», sagt der verurteilte jugendliche Straftäter. Und erklärt weiter: «Wenn du auf Leute schiesst, kann es schnell viel mehr werden.»

In den Clans sind Minderjährige laut Giorgio besonders gefragt. Denn, für einen Minderjährigen sei die Strafe immer viel tiefer als für einen Volljährigen, sagt er. Doch die zweifelhafte Karriere als Gang-Mitglied kann schnell zu Ende sein – weil die Handschellen klicken oder weil die brutalen Auseinandersetzungen unter Banden tödlich enden.

45 tote Jugendliche

Die Bandenkriege der Camorra fordern in Neapel und Umgebung zunehmend auch Opfer unter Jungkriminellen. In den letzten fünf Jahren wurden mindestens 45 jugendliche Camorra-Mitläufer umgebracht.

Und in Neapel fallen die sogenannten Babygangs durch besondere Brutalität und Gewalt auf. Als Machtdemonstration feuern sie ab und zu mitten in der Stadt mit Pistolen und automatischen Waffen in die Luft.

Die Babygangs sind viel gefährlicher als die älteren Camorra-Mitglieder.
Autor: Michele Maria Spina Polizeioffizier

«Die Babygangs sind gewalttätig und extrem gefährlich. Viel gefährlicher als die älteren Camorra-Mitglieder», sagt Polizeioffizier Michele Maria Spina. Ziel sei, sich mit extremer Gewalt unter den Clans Respekt und Macht zu sichern. Die Behörden versuchen konsequenter durchzugreifen. Seit diesem Sommer führt die Polizei regelmässig Grosskontrollen in den historischen Camorra-Quartieren durch.

«Saubere» Jobs schaffen

Polizist Spina weiss allerdings, dass in diesen Gebieten alleine mit Repression wenig erreicht werden kann. «Es müssen hier wieder legale Aktivitäten ermöglicht und saubere Arbeitsplätze für die Jugend geschaffen werden», sagt er. Die Polizei kämpfe täglich gegen die Camorra und versuche die Quartiere zu säubern. Nur, das alleine werde nicht genügen.

Davon ist auch Don Antonio überzeugt. Er kämpft täglich in seiner Erziehungsanstalt, um kriminelle Jugendliche der Kontrolle der Camorraclans zu entreissen. «Um diese Kinder zu retten, müssen wir auch ihre Horizonte öffnen», sagt der Priester des Salesianerordens. «Wir wollen ihnen das Schöne am Leben zeigen, das sie nie erleben durften. Einfache Dinge wie zum Beispiel, sie vor einer wichtigen Prüfung zur Schule zu begleiten. Fast keiner dieser Kinder hat das je erlebt.»

Italien-Karte mit Herkunftsregionen der Mafia-Gruppierungen
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