«Die Unsicherheit um unsere Position im Euro-Raum hat italienische und ausländische Investoren verunsichert», sagte Sergio Mattarella am Sonntag. Die Verunsicherung hatte, glaubt man dem italienischen Präsidenten, einen Namen: Paolo Savona. Er sollte in der künftigen Regierung als Finanz- und Wirtschaftsminister fungieren.
In der Vergangenheit hatte der 81-Jährige den Euro als «deutschen Käfig» bezeichnet. In seiner Autobiographie «Wie ein Albtraum, wie ein Traum» beschreibt Savona die Währungsunion als Mittel der Kolonisation. Der einzige, wenn auch schmerzhafte Ausweg: der Austritt Italiens aus dem Euro.
Erleichterung in Brüssel – für den Moment
Keine Frage: Wirtschaftsminister Savona hätte für Feuer unter dem Dach des Euro gesorgt, und das hochverschuldete Italien womöglich in ein finanzpolitisches Experiment geführt. Grund genug für Italiens Präsidenten, sein Veto gegen den Ökonomen einzulegen.
Doch nicht nur Savona bereitete Brüssel Kopfzerbrechen: So hatten die Sterne und die Lega einen Regierungsvertrag unterzeichnet, der Mehrausgaben und mehr Schulden vorsah. Nun soll der parteilose Finanzexperte Carlo Cottarelli eine Technokraten-Regierung bilden. Und damit die nervösen Finanzmärkte, und nicht zuletzt auch die Gemüter in Brüssel, wieder beruhigen.
Zumindest letzteres ist auch gelungen, berichtet SRF-Korrespondent Oliver Washington: «Man ist ohne Frage zufrieden über Mattarellas Entscheid.» Allerdings halte man sich mit öffentlichen Verlautbarungen zurück. Es sei derzeit «nichts bis gar nichts zu vernehmen», so Washington. Aus gutem Grund: «Die EU-Kommission etwa weiss, dass Äusserungen ihrerseits vielen in Italien gar nicht gefallen.»
Geäussert haben sich dagegen die deutsche Bundeskanzlerin und der französische Präsident. Angela Merkel sagte, sie werde mit jeder italienischen Regierung zusammenarbeiten. Gleichzeitig betonte sie, dass Deutschland innerhalb des Euro-Raums «Prinzipien» habe. «Damit erinnerte sie Italien daran, dass es seine Budgetverpflichtungen einhalten müsse», so SRF-Korrespondent Washington.
Emmanuel Macron würdigte derweil, dass Mattarella seine Aufgabe, die institutionelle und demokratische Stabilität Italiens zu gewährleisten, «mit Mut und Verantwortung» wahrgenommen habe. «Macron wendet sich damit gegen die Populisten», so Washington.
Es ist nur der letzte Schlag der starken Mächte, die ein versklavtes, verängstigtes und armes Italien wollen.
Die Reaktionen aus Berlin und Paris zeigen: Die Angst vor der nächsten grossen Euro-Krise, befeuert durch die drittgrösste Volkswirtschaft in der Währungsunion, ist gross. Und das Damoklesschwert schwebt weiter über der Euro-Zone: Denn die Lega und das Movimento könnten nach Neuwahlen doch noch an die Macht kommen und ihr Programm durchziehen.
Martialische Töne vom Lega-Chef
SRF-Korrespondent Washington umreisst das Worst-Case-Szenario, das in Brüssel herumgeistert: «Eine Schuldenwirtschaft in Italien, nervöse Finanzmärkte, steigende Zinsen, der italienische Staat bekäme finanzielle Probleme und seine Kreditfähigkeit wäre infrage gestellt, was wiederum zu einer Bankenkrise führen würde.» In der EU grassiere die Angst, dass die heutigen Instrumente nicht ausreichten, um ein derart serbelndes Italien auffangen zu können, schliesst Washington.
In Italien haben die Populisten bereits in den Wahlkampfmodus gewechselt: «Es ist nur der letzte Schlag der starken Mächte, die ein versklavtes, verängstigtes und armes Italien wollen», tönte Lega-Chef Matteo Salvini nach Mattarellas Veto. «Die nächsten Wahlen werden eine Volksabstimmung sein: Volk und echtes Leben gegen die alte Kaste.» Das Säbelrasseln der Populisten lässt erahnen, dass Italien so schnell nicht zur Ruhe kommen wird.