Venedigs Architektur ist verspielt, feingliedrig, fragil. Was für ein Gegensatz zum ruppigen Auftritt und Umgangston von Bürgermeister Luigi Brugnaro: «Wir schaffen es nicht, uns geht das Geld aus», ruft der bürgerliche Bürgermeister Venedigs dieser Tage in jedes ihm hingehaltene Mikrofon.
Non ce la facciamo!
Kurtaxe ist überlebenswichtig
Das Problem ist schnell erklärt: Die Pandemie hat sämtliche Touristen aus der Lagune vertrieben und der Stadt so die Lebensader abgeschnürt.
Betroffen sind alle Städte, die vorab vom Tourismus leben. Denn diese finanzieren sich zu einem erheblichen Teil über die «Imposta di soggiorno», die Kurtaxe. Jene paar Euro also, die jeder Gast zusätzlich zur Übernachtung zu zahlen hat.
Wenn Kurtaxen und Eintritte ausbleiben
Auch Florenz lebt zu einem grossen Teil vom Tourismus und auch der Florentiner Bürgermeister Dario Nardella schlägt Alarm: «Mit der Kurtaxe finanzieren wir ganz grundlegende städtische Leistungen: Kulturelle Einrichtungen, den öffentlichen Verkehr, die Reinigung der Strassen.»
Doch seit Februar fehlen die Touristen und so die Kurtaxen. Es fehlt aber auch der Erlös aus Tickets für Museen, Paläste, Kirchen. Und als ob das noch nicht genügte, werden dieses Jahr auch Hoteliers, Restaurantbetreiber oder Souvenirläden wegen der weggebrochenen Einnahmen deutlich weniger Steuern zahlen.
Betteltour in USA und Asien
Nardella rechnet nicht mit einer schnellen Rückkehr der Touristen: «Bis Ende Jahr werden wohl nur etwa 30 Prozent der Touristen nach Florenz zurückkehren.» Das Loch in der Stadtkasse wird also immer grösser.
Bis Ende Jahr werden nur etwa 30 Prozent der Touristen zurückkehren.
In der finanziellen Not hat der Florentiner Bürgermeister angekündigt, weltweit auf Betteltour zu gehen. Er hoffe auf Hilfe aus China, aus den USA, aus Japan. Von dort werden wohl einige Spenden-Millionen an den Arno fliessen.
Mit neuen Touristen allein ist es nicht getan
Doch die Rettung der italienischen Städte wird Milliarden kosten und von woanders kommen müssen. Rom und Brüssel haben Hilfe in Aussicht gestellt. Nur: Über den Recovery-Fund der EU wird derzeit noch gestritten. Und die Römer Bürokratie ist notorisch langsam, vor allem wenn's darum geht, Geld auszuzahlen.
Noch hätten sie aus Rom erst einige wenige Brosamen erhalten, klagt zum Beispiel Bürgermeister Antonio Decaro aus dem süditalienischen Bari: «Wenn wir nicht bald Geld aus Rom erhalten, müssen wir Dienstleistungen streichen.» Müllabfuhr und öffentlicher Verkehr seien in Gefahr. Bald könnte seine Stadt gar gezwungen sein, die Strassenbeleuchtung abzuschalten.
Wenn wir nicht bald Geld aus Rom erhalten, müssen wir Dienstleistungen streichen.
Bei solchen Schreckensszenarien ist in Italien immer auch ein Schuss Theater oder gar Operette mit im Spiel. Das Lamento soll denen in Rom Beine machen.
Doch die Lage ist ernst. Schon vor Corona waren viele italienische Kommunen klamm. Die Stadt Rom zum Beispiel liess das Gras in den grossen Parkanlagen schon bisher höchstens ein- bis zweimal pro Jahr schneiden. Der Müll bleibt oft lang liegen. Strassen werden schlecht unterhalten. Mit Corona könnte es nun noch schlimmer werden.