Anfang Woche konnte die Regierung in Rom noch einmal auftrumpfen. Die Polizei beschlagnahmte die Villen eines stadtbekannten Mafia-Clans. Seit Jahrzehnten wachsen sie ohne Baugenehmigungen in der Nähe eines alten römischen und denkmalgeschützten Aquädukts.
Die Bürgermeisterin Virginia Raggi (Cinque Stelle), gerade erst von der Falschaussage wegen Begünstigung freigesprochen, stellt sich stolz vor die Kameras, spricht von einem «historischen Tag für die Legalität» und postet selbst fleissig Fotos.
Dann läuft Regierungschef Giuseppe Conte (parteilos) in Facebook-Live durch kitschig ausgeschmückte Räumlichkeiten mit Porzellan-Tigern, Louis XIV.-Sesseln und Marmortischen. Am Ende zeigt sich auch noch Innenminister Matteo Salvini (Lega) und preist die Regeln, die «von allen wieder beachtet werden müssen».
Italiens Koalition in tiefer Krise
Dieser konzertiere Auftritt täuscht nicht darüber hinweg, dass die Regierungskoalition aus der Lega und Cinque Stelle knapp sechs Monate nach Regierungsantritt in einer tiefen Krise steckt.
An den Nerven in Rom zerrt nicht nur das Kräftemessen mit der EU um das Für und Wider des italienischen Haushaltsplans, um Sparen oder Neuverschulden, um Wettbewerbsfähigkeit oder mehr Rente und ein garantiertes Grundeinkommmen.
Auch die Römer Akteure selbst reiben sich Tag für Tag auf. Denn trotz eines lange ausgehandelten Koalitionsvertrages aus 30 Punkten geraten sich Lega und Cinque Stelle in Grundsatzentscheidungen über die Zukunft des Landes immer mehr in die Haare.
Uneinigkeit in zentralen Themen
Cinque Stelle wollen am liebsten den Bau einer Pipeline in Apulien blockieren. Sie soll 2020 Gas aus Aserbaidschan über die Türkei, Griechenland, Albanien und die Adria nach Europa transportieren.
Ebenso stellen sich die Cinque Stellle gegen die TAV, die Schnellbahnstrecke, die einmal Turin und Lyon verbinden und den Güterverkehr zwischen Italien und Frankreich von der Strasse auf die Schiene verlegen soll.
Und zuletzt streiten Matteo Salvini und Luigi Di Maio sogar über den Bau neuer Kehrichtverbrennungsanlagen. Nach der Schliessung zahlreicher Mülldeponien rund um Neapel und Rom wäre das für den Chef der Lega der einzige Weg aus dem Müllchaos. So fordert Salvini dringend mehr Kehrichtverbrennungsanlagen, diese seien keine Gefahr für die Umwelt.
Die Mülldeponien stehen im Ausland sogar zwischen Skipisten, Kinderspielplätzen oder Museen. Für Tod und Krankheit sind nicht sie sondern Sorglosigkeit und Missmanagement verantwortlich.
Für den Chef der Cinque Stelle dagegen sind Kehrichtverbrennungsanlagen eine weitere Gefahr für Umwelt und Gesundheit und ein willkommenes Geschäft für die sogenannte Müll-Mafia. Viel eher solle man Müll vermeiden.
Für neue Verbrennungsanlagen braucht es Jahre. Wir sollten lieber Müll vermeiden als auf alte Rezepte setzen.
Ungewisse Zukunft der Allianz
Bei all dieser Diskussion geht es schon jetzt um die politische Zukunft beider Regierungspartner. Während die Lega Woche für Woche von fast 18 Prozent bei den Parlamentswahlen am 4. März auf zuletzt fast 33 Prozent zulegt, rutschen die Cinque Stelle von fast 33 Prozent auf 26 Prozent ab, so die Umfragen des Istituto SWG.
Matteo Salvini ist längst beliebtester Politiker in Italien und könnte schon bald die Koalition mit Luigi Di Maio kündigen – wenn er den richtigen Vorwand findet für Neuwahlen und klare neue politische Verhältnisse.
Vielleicht kann da der Haushaltsstreit mit Brüssel helfen und die Turbulenzen auf den Finanzmärkten dazu? Dann wäre der Weg frei für Neuwahlen und ein Rechtsbündnis – ganz im Geiste und in der Tradition von Silvio Berlusconi.