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Jacob Zuma tritt zurück Das Ende eines Kleptokraten

Südafrikas Staatspräsident Jacob Zuma singt gerne. Besonders, wenn er reden und sich erklären sollte. So auch am Jubiläums-Parteitag des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) in Johannesburg vor sechs Jahren. Die Delegierten erwarteten eine Rede, doch Zuma begann auf der Bühne zu tanzen, stimmte ein altes ANC-Kampflied an, und am Ende hat der ganze Saal mitgesungen.

Die Familie von Zuma opferte an jenem Tag 16 Kühe und das Opfer hatte sich gelohnt. 3000 Delegierte wählten den begnadeten Entertainer trotz massiver Korruptionsvorwürfe für weitere fünf Jahre zum Vorsitzenden des ANC. Es war eine typische Episode für Jacob Zuma, der während seiner Karriere sieben Misstrauensabstimmungen im Parlament überlebt hat.

Zu feiern gab es damals so wenig wie heute. Stromausfälle, ein marodes Bildungssystem, eine Arbeitslosenrate von fast 40 Prozent prägen den Alltag. Das Bild der hoffnungsvollen Regenbogennation am Kap der Guten Hoffnung hat schon seit Jahren Risse bekommen. Aber erst Jacob Zuma brachte das Land definitiv an den Rand des wirtschaftlichen und politischen Abgrunds.

Lange war der Mythos der Vergangenheit aber immer noch mächtiger als die Misere der Gegenwart. Den ANC und dessen Vorsitzenden nicht mehr zu wählen, wäre für viele schwarze Südafrikaner ein Verrat am Befreiungskampf gewesen. Zuma war seit seiner Jugend Mitglied des ANC, später wurde er Geheimdienstchef der Bewegung. Dafür verbrachte er fast 11 Jahre mit Mandela im Gefängnis auf Robben Island.

Symbol für Misswirtschaft

Doch wie so mancher afrikanischer Befreiungskämpfer, der an die Macht kam, erlag auch der heute 75-jährige Zuma der Gier und wurde zum Symbol für Misswirtschaft. Eine Mitgliedschaft beim ANC ist inzwischen nicht mehr Ausdruck einer politischen Überzeugung, sondern ein Geschäftsentscheid: ein Zutritt zu Ämtern und Staatsaufträgen.

Ein Symbol für diese Mentalität wurde Zumas Privatresidenz, die für Wochen für Schlagzeilen und am Ende zu einer parlamentarischen Untersuchung führte. Das Haus sei ein Ort der nationalen Sicherheit und müsse deshalb aufgerüstet werden, erklärte Zuma und liess das Anwesen auf Kosten der Steuerzahler für 20 Mio. Franken sanieren. Zuma überlebte den Skandal, ebenso die enge Verbindung mit einer indischen Unternehmerfamilie, welche nicht nur von lukrativen Staatsaufträgen profitierte, sondern Zuma nachweislich auch bei der Vergabe von Regierungsposten beeinflusste.

Was wurde aus der Vision Mandelas?

Südafrikanerinnen und Südafrikaner sind sich mittlerweile viel gewohnt und trotzdem stellen sich immer mehr ernsthafte Fragen zur Politik des ANC und dessen Staatspräsidenten.

Was wurde aus der Vision des grossen Befreiers und Versöhners Nelson Mandela? William Gumede war als Studentenführer ein Freund Mandelas. Heute unterrichtet er an der Witwatersrand Universität in Johannesburg Politologie. Er kann sich gut erinnern, wie Mandela vor Zuma gewarnt habe. «Als 1999 Thabo Mbeki das Staatspräsidium von Nelson Mandela übernahm, hat Mbeki den heutigen Staatspräsidenten Jacob Zuma zu seinem Stellvertreter ernannt. Mandela hat ihm dringend geraten, Zuma nicht zu ernennen. Er sagte: Zuma ist nicht gut genug. Mandela hat aber nicht insistiert – und deshalb haben wir heute Zuma als Präsidenten.»

Es ist ziemlich ungewöhnlich, dass eine Figur wie Zuma so lange Staatspräsident bleiben konnte. Gelungen ist ihm dies mit der Verteilung von Geld und Pfründen an seine Freunde und Anhänger. Dass er die stolze Befreiungsorganisation in ein mafiöses Kartell verwandelte, nahm er dabei skrupellos in Kauf.

Massive Verluste bei den letzten Kommunalwahlen zeigten jedoch, dass der korrupte Präsident zunehmend zur Hypothek wird. Um das politische Überleben der Regierungspartei bei den Wahlen im kommenden Jahr zu sichern, blieb dem ANC deshalb nichts anderes übrig, als den längst fälligen Abgesang von Jacob Zuma einzuleiten.

Patrik Wülser

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Porträt Patrik Wüsler.

Patrik Wülser ist Leiter der Auslandredaktion von Radio SRF. Von 2011 bis 2017 war er Afrikakorrespondent für SRF und lebte mit seiner Familie in Nairobi (Kenia).

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