Jimmy Carter war ein politischer Nobody, als er ins Weisse Haus einzog. Der gottesfürchtige Erdnussfarmer und Gouverneur aus Georgia hatte kandidiert, um die Sitten seines Landes zu heben. Mit Erfolg. Moral war gefragt nach dem Vietnamkrieg und dem Watergate-Skandal.
«Amerika kann besser sein und stärker als vorher. Die jüngsten Fehler mögen uns zurück zu den Prinzipien unserer Nation leiten», versprach Carter bei seiner Amtseinsetzung im Januar 1977.
Vom Wollpullover zum politischen Fehltritt
Doch die Realität holte ihn rasch ein. Die Ölkrise, steigende Preise und Stagnation strangulierten die Wirtschaft. Carter predigte das Energiesparen, rief neue Behörden ins Leben und trug Wollpullover im minimal geheizten Weissen Haus.
Nichts half. 1979 lief das Benzin aus, an den Tankstellen lieferten sich Autofahrerinnen und Autofahrer wüste Szenen. Mitten im Chaos verschwand Carter für zehn Tage von der Bildfläche und meldete sich dann mit einer Moralpredigt an die Nation zurück.
Das Leben des Jimmy Carter in Bildern
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Bild 1 von 6. Jimmy Carter geniesst mit seiner Frau Rosalynn Carter und ihrer gemeinsamen Tochter Amy auf der Pennsylvania Avenue das Bad in der Menge. Er wurde soeben als US-amerikanischer Präsident vereidigt. Bildquelle: AP Photo/Suzanne Vlamis.
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Bild 2 von 6. Jimmy Carter (links) war auch in der Schweiz zu Besuch, nämlich bei den Friedensverhandlungen zum Nahostkonflikt im Mai 1977. Hier spricht er mit dem syrischen Präsidenten Hafiz al-Assad. Bildquelle: KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str.
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Bild 3 von 6. Sein wohl grösster aussenpolitischer Triumph: Jimmy Carter (Mitte), der ägyptische Präsident Anwar Sadat (links) und sein israelischer Amtskollege Menachem Begin halten sich im März 1979 die Hände, nachdem der Friedensvertrag zwischen den beiden Ländern ausgehandelt war. Bildquelle: KEYSTONE/AP Photo/Bob Daugherty.
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Bild 4 von 6. Wahrscheinlich ein Bild für die Ewigkeit: Der sowjetische Präsident Leonid Breschnew küsst im Juni 1979 Jimmy Carter, nachdem die beiden Staatschefs in Wien das Abrüstungsabkommen Salt II unterzeichnet hatten. Bildquelle: AP Photo/str.
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Bild 5 von 6. Nach seiner Amtszeit stand Jimmy Carter weltweit für Menschenrechte ein. Hier bei seinem Besuch in Sudan im April 2010. Bildquelle: AP Photo/Pete Muller.
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Bild 6 von 6. Die Schweizer Bundesrätin Micheline Calmy-Rey empfängt Jimmy Carter im November 2010 in der Romandie. Bildquelle: KEYSTONE/Dominic Favre.
Die Energiekrise sei eine Vertrauenskrise, philosophierte der gläubige Baptist am nationalen Fernsehen, und schuld daran sei die Konsumsucht der Amerikanerinnen und Amerikaner. Die Rede ging als politischer Fehltritt in die Geschichte ein.
Den Nahen Osten zur amerikanischen Einflusssphäre gemacht
Eine glücklichere Hand hatte Carter anfänglich in der Aussenpolitik. 1978 gelang es ihm, den Frieden zwischen Israel und Ägypten zu vermitteln – in Camp David. Doch gleichzeitig braute sich ein neues Sturmtief zusammen. Die iranische Revolution und der sowjetische Einmarsch in Afghanistan erweckten den Kriegsfalken in Carter, der nun seine Doktrin verkündete: Jede Intervention einer fremden Macht am Persischen Golf verletze die vitalen Interessen der USA.
Am Ende seiner Amtszeit häuften sich die Missgeschicke und Verhängnisse. Die gescheiterte Geiselbefreiung in Teheran, der Nuklearunfall in Three Mile Island bei Harrisburg im Bundesstaat Pennsylvania und der US-Boykott der Olympischen Spiele in Moskau, der den Westen entzweite.
Abwahl als grosse politische Niederlage
1980 musste Carter schliesslich eine historische Wahlschlappe gegen den Republikaner Ronald Reagan einstecken. Bloss sechs Gliedstaaten wählten ihn wieder. Vom amerikanischen Volk verabschiedete sich Carter höflich.
Zwei Jahre nach seiner Abwahl gründete er zusammen mit seiner Frau Rosalynn das Carter Center, welches zu einem wichtigen globalen philanthropischen Unternehmen anwachsen sollte. Den Friedensnobelpreis nahm Carter 2002 entgegen, als Privatmann, wie er betonte.
Er baue hoffnungsvoll auf das wachsende Einverständnis, dass Friede, Freiheit, Menschenrechte, eine saubere Umwelt und der Rechtsstaat das allgemein akzeptierte Ziel der Gesellschaft seien.
Im Alter noch milder gestimmt
Aus der Politik hielt sich Carter in seinem langen Leben nach der Präsidentschaft vornehmlich heraus. Das Alter stimmte ihn milde – noch milder. Für Donald Trump etwa zeigte Carter nach dessen Wahl viel Verständnis als politisches Greenhorn im Weissen Haus: «Er weiss, er muss viel lernen. Und manchmal muss man hart lernen. Wie ich.»
Auch Jimmy Carter wurde von einer Welle des Unbehagens ins Weisse Haus gespült, als unwahrscheinlicher Kandidat, wenn auch sein Temperament ein ganz anderes war als jenes Trumps. Nun ist der 39. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika verstorben.