Darum geht es: Nach jahrelanger Fahndung ist einer der meistgesuchten Drogenbosse in Sierra Leone ausfindig gemacht worden. Seit einem halben Jahr ist laut niederländischer Polizei sicher, dass sich der Niederländer Jos Leijdekkers – eine Schlüsselfigur des internationalen Kokainhandels – in dem westafrikanischen Land aufhält.
Das ist Jos Leijdekkers: Der Gesuchte mit dem Spitznamen «Bolle Jos» (zu Deutsch: «Dicker Jos») steht auf der EU-Liste der meistgesuchten Kriminellen. Er wurde 2024 in den Niederlanden in Abwesenheit wegen des Schmuggels von knapp sieben Tonnen Kokain und der Anordnung eines Mordes zu 24 Jahren Haft verurteilt. Ein belgisches Gericht verurteilte ihn im September wegen Drogenhandels und Körperverletzung zu zehn Jahren Gefängnis. Zuletzt hatten Fahnder ihn in der Türkei vermutet.
Die Bedeutung für die Niederlande: «Jeder Fahndungserfolg im Kampf gegen die Drogenkriminalität ist sehr wichtig für die Niederlande», erklärt Journalist Thomas Verfuss. Die Drogenkriminalität sei für das Land ein grosses Problem, das dem durchschnittlichen Schweizer Touristen, der sich in Amsterdam einen Joint kaufe, nicht sofort auffallen würde. «Die importierten Drogen aus Lateinamerika, vor allem Kokain, führen zu einer enormen Kriminalität.»
Diese Bilder sollen Leijdekkers zeigen: Wie der öffentlich-rechtliche Sender NOS in den Abendnachrichten «Een Vandaag» berichtete, sei Leijdekkers auf Bildern gemeinsam mit dem Präsidenten von Sierra Leone gesichtet worden. Der niederländische Sender zeigte eine Videosequenz, die den Kriminellen neben der Tochter des Präsidenten in einer Kirche zeigen soll.
Das sind die Chancen einer Auslieferung: Eine Auslieferung Leijdekkers nach Den Haag dürfte schwierig sein, da die beiden Länder kein Auslieferungsabkommen haben, so Verfuss. Doch der freie Journalist hat eine Vermutung: «Der sierra-leonische Justizminister Alpha Sesay hat jahrelang in den Niederlanden gewohnt. Er war Prozessbeobachter beim Spezialgericht für Sierra Leone, welches einen Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten von Liberia, Charles Taylor, geführt hat.» Gemäss seinen Social-Media-Profilen würde er sehr viele Personen in wichtigen Ämtern kennen, so Verfuss. «Alpha Sesay hat sich jahrzehntelang dem Kampf gegen Korruption und dem Kampf gegen internationale Kriminalität verschrieben. Ich kann mir vorstellen, dass es für ihn sehr wichtig ist, dass Sierra Leone Leijdekkers ausliefert.» Die Polizei des Landes sei bereit, mit den niederländischen Behörden, Interpol und anderen internationalen Partnern zusammenzuarbeiten.
Diese Rolle spielt Sierra Leone beim Drogenhandel: Das westafrikanische Sierra Leone gehört trotz reicher Bodenschätze wie Diamanten, Gold und Bauxit zu den zehn am wenigsten entwickelten Staaten der Welt. Auf dem Korruptionsranking der NGO Transparency International landet das Land mit rund 8.5 Millionen Einwohnerinen und Einwohnern und regelmässigen demokratischen Wahlen auf Platz 108 von 180 der korruptesten Staaten. Wie in anderen Küstenstaaten in Westafrika dienen die Häfen als wichtige Anlaufstelle für Drogen aus Südamerika auf dem weiteren Weg nach Europa. «Die Polizei kontrolliert Schiffe aus Kolumbien besonders gut», so Verfuss. Deshalb könne es für die Kriminellen attraktiv sein, das Kokain auf dem Weg nach Europa erstmals nach Afrika zu verschiffen.