Der Mord am russischen Journalisten Arkadi Babtschenko in Kiew sorgt für Aufsehen. Der Kritiker des Kreml und der russischen Armee ist bereits der dritte Journalist, der innerhalb von vier Jahren in der ukrainischen Hauptstadt erschossen wurde. Über die Vermutungen zu den Hintergründen der Tat weiss SRF-Moskaukorrespondent David Nauer mehr.
SRF News: Weiss man schon, ob der Mord an Arkadi Babtschenko mit seiner journalistischen Tätigkeit zu tun hatte?
David Nauer: Davon gehen die ukrainischen Behörden und die Freunde Babtschenkos aus. Er hat sich als Journalist viele Feinde gemacht, denn er hat als Reporter nie ein Blatt vor den Mund genommen und war stets der Wahrheit verpflichtet. Das hat vielen natürlich nicht gefallen. Wegen permanenter und konkreter Drohungen hatte er Russland verlassen müssen.
Weiss man bereits, wer für den Mord verantwortlich ist?
Nein. Der ukrainische Premierminister äusserte zwar die Vermutung, Russland könnte hinter dem Mordanschlag stecken. Doch Beweise dafür gibt es bislang keine. Das russische Aussenministerium beklagte seinerseits ein «Klima der Gewalt» in der Ukraine – was indirekt als eine Schuldzuweisung an Kiew interpretiert werden kann. Der Fall ist also stark politisiert. Fakt ist aber, dass Babtschenko ein Kritiker des Kremls war, dass er die russische Politik stets kritisiert und verurteilt hatte, dass seine Gegner in Russland sassen und dass er sich vor ihnen gefürchtet hatte.
Bis zuletzt kritisierte er Russland wiederholt heftig für seine Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine.
Was hat Babtschenko als Journalist besonders ausgezeichnet?
Er wurde Kriegsreporter, nachdem er selber in jungen Jahren in der russischen Armee war und in beiden Tschetschenien-Kriegen als Soldat mitgekämpft hatte. Wohl deshalb hat er Krieg abgrundtief gehasst. Bis zuletzt kritisierte er Russland wiederholt heftig und pointiert emotional für seine Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine. Vor allem zeichnete ihn aber auch sein unglaubliches Schreibtalent aus: So beschreibt er etwa ungeheuerliche Grausamkeiten im russisch-georgischen Krieg mit einer so kühlen und trockenen Sprache, dass einem das Blut in den Adern gefriert.
Wieso lebte Babtschenko seit einem Jahr ausgerechnet in Kiew?
Die ukrainische Hauptstadt ist in den letzten Jahren zu so etwas wie ein Zufluchtsort für Kremlkritiker geworden. Die Stadt ist russischsprachig, Russen können sich also ohne Mühe integrieren. Es hat aber auch damit zu tun, dass die Ukraine viel freier ist als Russland und in Konflikt mit Moskau steht. Kritiker der russischen Regierung sind in Kiew willkommen und finden dort auch einfach Unterschlupf.
Es kursieren etliche Verschwörungstheorien – aber gesicherte Erkenntnisse liegen keine vor.
Der Anschlag auf Babtschenko ist bereits der dritte Mord innert vier Jahren an einem Journalisten in Kiew. Wer waren die anderen Getöteten?
Sie standen politisch auf sehr unterschiedlichen Seiten. Der russische Journalist Pawel Scheremet war wie Babtschenko ein Kritiker der Moskauer Führung, der in Kiew unterkam und dort ermordet wurde. Der Ukrainer Oleg Busina stand politisch auf der anderen Seite und galt als pro-russisch. Bis jetzt ist keiner dieser Morde aufgeklärt worden. Zwar kursieren etliche Verschwörungstheorien, wer hinter den Bluttaten stecken könnte, doch gesicherte Erkenntnisse liegen keine vor.
Das Gespräch führte Roger Aebli.