Ist die kalabrische Mafia 'Ndrangheta für den Doppelmord an einem slowakischen Recherchejournalisten und seiner Verlobten verantwortlich? Gesichert ist das nicht.
Verschiedene Medien berichten aber, dass die Morde im Zusammenhang mit der letzten Reportage des ermordeten Journalisten stehen, in der es um Geschäfte der italienischen Mafia in der Slowakei ging – um ein kompliziertes Netzwerk zwischen 'Ndrangheta-Mitgliedern mit Verbindungen bis in höchste slowakische Regierungsstellen.
Mafia-Expertin Maria Roselli kann sich vorstellen, dass einzelne 'Ndrangheta-Mitglieder mit Leuten aus irgendwelchen Regierungsetagen verbandelt seien.
SRF News: Wie stark ist die 'Ndrangheta in Osteuropa?
Maria Roselli: Diese Frage kann zurzeit wohl niemand beantworten. Was wir mit Sicherheit sagen können: Die 'Ndrangheta ist in verschiedenen ehemaligen Ostblockstaaten tätig. Das weiss man auch aus Untersuchungen, die aufgezeigt haben, dass dort kriminelle Aktivitäten der 'Ndrangheta laufen.
Aber so stark wie im Stammland Süditalien ist sie dort wohl kaum…
…das ist sicher nicht so. Man muss sagen in Italien generell – nicht nur in Süditalien – dort wurden bereits ganze Gemeinden, respektive Behörden, infiltriert. Ich denke nicht, dass die Infiltrierung durch die 'Ndrangheta im Ausland ein solches Ausmass annehmen kann.
Was wir mit Sicherheit sagen können, ist, dass die 'Ndrangheta in verschiedenen ehemaligen Ostblockstaaten tätig ist.
Auch wenn es nun in diesem Fall Anzeichen gibt, dass die 'Ndrangheta bis in die slowakische Regierung verbandelt war?
Ja, das scheint so. Dass einzelne 'Ndrangheta-Mitglieder mit Leuten aus irgendwelchen Regierungsetagen verbandelt sind, ist schon öfters vorgekommen. Von einer eigentlichen Infiltrierung würde ich aber auf keinen Fall reden.
Womit verdient denn die 'Ndrangheta in Osteuropa ihr Geld?
Ich denke, dass sich in den ehemaligen Ostblockländern neue Märkte aufgetan haben. Dass dort sehr viel frisches Geld über EU-Förderung geflossen ist. Und dass man versucht hat, an diese Gelder heranzukommen.
Wie genau muss man sich das vorstellen – wie kann die 'Ndrangheta an Fördergelder der EU kommen?
Die 'Ndrangheta verfügt über verschiedenste eigene Firmen. Meistens bestehen diese nur auf dem Papier. Aber sie kann bei grossen Wettbewerben mitbieten, um dann irgendwelche Strassen oder Gebäude für die EU zu errichten, die dann tatsächlich mit sehr schlechtem Material gebaut werden.
Auf dem Papier ist alles super, doch wenn man die Bauten genau anschaut, sieht man, dass es verschiedenste Mängel gibt. Es gibt aber auch eine zweite Variante: da werden Projekte eingereicht, die auf dem Papier super aussehen. Dann treffen diese Fördergelder ein, versickern jedoch. Meistens wird gar nicht mit dem Bau einer Fabrik begonnen – sondern das Geld versickert schon vorher. Dafür gibt es verschiedenste Beispiele.
Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.