Julian Assange vor Gericht
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Erste Anhörung zum US-Auslieferungsantrag
Wird der Wikileaks-Gründer an die USA ausgeliefert? In London hat die Anhörung begonnen, während vor dem Gerichtsgebäude lautstark protestiert wird.
Der Wikileaks-Gründer Julian Assange ist zurzeit im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Osten Londons inhaftiert. Für die erste Anhörung zum US-Auslieferungsantrag gegen ihn wurde der 48-Jährige am Montag von zwei Sicherheitsleuten in das Staatsgericht von Woolwich gebracht.
Proteste vor Gerichtsgebäude
Vor dem Gebäude hatten sich Anhänger Assanges versammelt und seine Freilassung gefordert. «Schiesst nicht auf den Überbringer der (schlechten) Botschaft, befreit Assange», stand zum Beispiel auf einem Plakat. Unter den Protestierenden waren auch Prominente, wie die Schauspielerin Sadie Frost und die Modedesignerin Vivienne Westwood.
Der Fall Wikileaks
Die US-Justiz wirft Assange vor, der Whistleblowerin Chelsea Manning – damals Bradley Manning – geholfen zu haben, geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan veröffentlicht zu haben.
Wikileaks hatte 2010 hunderttausende geheime Papiere ins Internet gestellt. Sie enthielten hochbrisante Informationen über die US-Einsätze vor allem im Irak, unter anderem über die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen. Bei einer Verurteilung in allen 18 Anklagepunkten in den USA drohen Assange bis zu 175 Jahre Haft.
Die Anhörungen sind zunächst für eine Woche geplant und sollen dann erst am 18. Mai für weitere drei Wochen fortgesetzt werden.
Flucht in die Botschaft und Inhaftierung
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Julian Assange hatte sich aus Angst vor einer Auslieferung an die USA 2012 in die ecuadorianische Botschaft in London geflüchtet. Damals lag gegen ihn ein europäischer Haftbefehl wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden vor. Im November 2019 wurden die Voruntersuchungen wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung niedergelegt.
Die britische Polizei verhaftete Assange im April 2019, weil er mit der Flucht in die Botschaft gegen Kautionsauflagen verstossen hatte. Er wurde zu einem knappen Jahr Gefängnis verurteilt.
«Angriff gegen Pressefreiheit»
Der UNO-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, hatte kürzlich schwere Vorwürfe gegen die Behörden in Grossbritannien, Schweden, den USA und Ecuador erhoben. In seinen Augen wurde an Assange ein Exempel statuiert, um Journalisten einzuschüchtern.
Kritik vom UNO-Sonderberichterstatter für Folter
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Der UNO-Sonderberichterstatter für Folter, der Schweizer Nils Melzer, hat im Fall Assange in einem Interview mit der «Republik» schwere Vorwürfe gegen die schwedischen und britischen Justizbehörden erhoben.
Melzer kritisierte, gemäss seinen Recherchen habe es in Schweden weder eine Vergewaltigung noch eine Anklage gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange gegeben.
Zudem sei der Wikileaks-Gründer in Grossbritannien zu 50 Wochen Haft verurteilt worden, obwohl das Vergehen – Verletzung von Kautionsauflagen – in England im Regelfall nur mit einer Busse bestraft werde.
Für Melzer ist der Fall Assange «ein Riesenskandal und die Bankrotterklärung der westlichen Rechtsstaatlichkeit.» Sollte der Wikileaks-Gründer verurteilt werden, dann sei das «ein Todesurteil für die Pressefreiheit.»
Melzer kritisierte zudem, dass Kriegsverbrechen und Folter nicht verfolgt würden. Hingegen werde der Mann, der Kriegsverbrechen und Folter aufdecke, in den USA mit 175 Jahren Gefängnis bedroht. «Er wird ein Jahrzehnt lang überzogen mit Anschuldigungen, die nicht nachgewiesen werden, die ihn kaputtmachen. Und niemand haftet dafür. Niemand übernimmt die Verantwortung. Es ist eine Erosion des Sozialvertrags», sagte Melzer.
Auch die Organisation «Reporter ohne Grenzen» sieht «einen Angriff gegen die Pressefreiheit». Der Geschäftsführer der Organisation in Deutschland, Christian Mihr, sagte der Nachrichtenagentur DPA: «Assanges Ergebnisse gehören an die Öffentlichkeit.»