Über Laura Kövesi, bis vor kurzem Rumäniens erfolgreichste Kämpferin gegen Korruption, streitet gerade das halbe Land – und ein Teil Europas. Sie selbst hört man hingegen kaum. Man versuche sie fertig zu machen, sagt sie in einem Telefoninterview mit einem rumänischen Fernsehsender.
Das könne kein Zufall sein. Sie kandidiere als Europäische Staatsanwältin – und just in dem Moment werde sie in Rumänien angeklagt. Der Vorwurf: Kövesi habe als Generalstaatsanwältin ihre Macht missbraucht.
Sie habe vor Jahren einen verurteilten Betrüger aus Indonesien zurück nach Rumänien fliegen lassen. Dies mit Geld, das nicht dafür vorgesehen war. Doch längst ist erwiesen, dass die rumänische Polizei damals für den Flug bezahlt hat, längst haben Gerichte Kövesi entlastet.
Rache für Verurteilung korrupter Politiker
Viele Politiker, Journalisten und Juristen glauben deshalb, Rumäniens Regierung räche sich an Kövesi, weil sie als Chefin der Anti-Korruptionsbehörde korrupte Politiker ins Gefängnis gebracht hat, bis sie abgesetzt wurde.
Jetzt wolle Rumäniens Classe politique sie auf keinen Fall als Europäische Staatsanwältin, damit sie nicht von Brüssel aus weiter ermittle. Bei all dem gehe es vor allem um Liviu Dragnea, sagt Kövesi.
Dragnea ist der Chef der regierenden Partei des Landes, der mächtigste Mann im Staat. «Wir gehen bis zum Äussersten», sagte er letzten Sommer vor Anhängern. Rumänien sei bereit, gegen die «barbarischen Tyrannen» zu kämpfen. Damit meint Dragnea die Korruptionsbekämpfer, die EU.
Dragneas Problem: Er wurde selber verurteilt wegen Wahlmanipulation. Urteile wegen Machtmissbrauch und Betrug drohen ihm noch. Deswegen kann er nicht mehr Ministerpräsident werden. Unrechtmässig findet er das, Teil einer Verschwörung gegen ihn. Deshalb versucht er, die Justiz gefügig zu machen.
Unabhängigkeit der Justiz ist in Gefahr
Der Kampf gegen Laura Kövesi ist bloss ein Teil dieses grösseren Plans. Dragos Calin ist ebenfalls einer, der gefügig gemacht werden soll. Er ist Richter und Co-Präsident einer Richtervereinigung. Am Telefon sagt er, er fürchte seit letzter Woche vollends um die Unabhängigkeit der Justiz.
Die Regierung in Bukarest hat eine Sonderabteilung für Ermittlungen der Straftaten in der Justiz geschaffen. Diese Abteilung ist besetzt mit Leuten, die der Regierung nahestehen. Sie ist es auch, die gegen Kövesi ermittelt.
Letzte Woche nun hat die Regierung diese Abteilung mit der bisherigen Generalstaatsanwaltschaft auf eine Stufe gestellt. Das heisst: Die bisherigen Staatsanwälte, darunter die unabhängigen Köpfe, werden ein Stück weit entmachtet. Passiert ist das per Notverordnung – ohne Debatte, ohne Befragung der Justiz. In dieser Lage, sagt Calin weiter, wäre es gut, Laura Kövesi würde oberste EU-Staatsanwältin. Dann könnte sie eingreifen.
Zwar sagen alle relevanten internationalen Stimmen: «Ihr dürft die Justiz nicht so gängeln, liebe Rumänen!» Aber echten Druck mochte bis jetzt niemand aufsetzen. Also streiken die rumänischen Richter jetzt teilweise, und die Leute demonstrieren. 50'000 waren es letzten Sonntag. «Weg mit dem Verbrecher», riefen sie – gemeint ist Dragnea. Und: «Wir sind das Volk!»
Rumäniens Mächtige zeigen sich unbeeindruckt.