Das Café in Hongkongs Stadtzentrum ist voller Gäste. An einem kleinen Tisch in der Ecke sitzt Margaret Ng. Sie ist eine Veteranin der Demokratiebewegung der Stadt, und sass bereits im Parlament als Hongkong noch eine britische Kronkolonie war.
Die Politikerin und Juristin hat viel erlebt, doch Pekings Vorgehen mit dem Sicherheitsgesetz hat selbst sie überrascht: «Wir waren wirklich fassungslos. Zwar wussten wir, dass die Möglichkeit bestand, theoretisch. Aber dass China diesen drastischen Schritt unternehmen würde, hätten wir nicht erwartet.»
Peking gebe damit zu, dass die Formel «Ein Land – zwei Systeme» gescheitert sei, sagt Ng: «Indem es jetzt selbst direkt ein Gesetz zur nationalen Sicherheit für Hongkong verabschieden will.»
Denn eigentlich hätte Hongkongs Parlament ein entsprechendes Gesetz verabschieden sollen. Bereits 2003 gab es einen Versuch. Nachdem eine halbe Million Menschen auf die Strasse gegangen war, verschoben Hongkongs Politiker das Vorhaben.
Die Justiz wird als Werkzeug gegen uns benutzt. Das ist gleichzeitig ironisch und traurig.
Die Hongkonger Regierung verteidigt das Nationale Sicherheitsgesetz aus Peking. Bürgerinnen und Bürger, die sich an die Gesetze hielten, hätten nichts zu befürchten. Nur: Die Details des Gesetzes sind noch immer unklar, auch wie es umgesetzt wird oder wie Verstösse genau definiert werden.
Blick in ungewisse Zukunft
Ng macht sich grosse Sorgen: «Es ist bereits von speziellen Gerichten die Rede. Haben wir dann zwei verschiedene Arten von Justiz? Geniessen wir nur die Meinungsfreiheit, wenn China davon nicht tangiert wird? Wenn wir uns gegenüber China kritisch äussern, oder Chinas Regierung fürchtet, wir würden die nationale Sicherheit gefährden, gilt dann eine andere Art von Justiz?»
Auch Ng muss sich derzeit vor Gericht verantworten – unter anderem wegen der Teilnahme an unerlaubten Protesten im vergangenen Jahr. Gemeinsam mit weiteren prominenten Aktivisten wurde sie im April verhaftet, sie kam gegen Kaution frei.
Die aktuelle Situation macht sie traurig: «Wir haben unser Leben damit verbracht, für den Rechtsstaat zu kämpfen. Wir haben versucht zu warnen, haben versucht, dass das Recht in Hongkong weiter hochgehalten wird. Und nun werden wir selbst zu Angeklagten. Die Justiz wird als Werkzeug gegen uns benutzt. Das ist gleichzeitig ironisch und traurig.»
Die Jugend wird weiterkämpfen
Macht sie sich Sorgen über ihre Zukunft? Ng winkt ab und gibt sich bescheiden: «Ich bin 72 Jahre alt, von meiner Zukunft ist also nicht mehr viel übrig. Was ich tue, ist auch nicht mehr so wichtig. Die neue Generation will über ihre Zukunft bestimmen.»
Diese neue Generation werde weiterkämpfen, ist sie überzeugt. Die jungen Hongkongerinnen und Hongkonger seien sich an ihre Freiheiten gewöhnt und wollten diese nicht verlieren. Das zeigte sich bei den monatelangen Protesten besonders deutlich, als auffallend viele junge Menschen auf die Strasse gingen.
«Ich denke, China ist es nicht gewohnt, wenn Menschen nicht gehorchen. Das können sie nicht tolerieren», sagt Ng. Es liege aber in der Natur der Hongkonger, zu protestieren und Widerstand zu leisten. «Wir können nicht plötzlich unterwürfig sein.»
Wie es jetzt weitergeht, kann auch Ng nicht sagen. Die Lage werde sich wohl weiter zuspitzen. Denn auf der einen Seite stehen Menschen, die nicht aufgeben wollen, und auf der anderen Seite eine Regierung, die keinen Widerspruch duldet.