«Heute regiert das Böse in Polen», sagte Donald Tusk am Samstag in seiner Rede zur Wahl zum kommissarischen Chef der liberalkonservativen Bürgerplattform. Laut SRF-Korrespondent Roman Fillinger reichen diese Gehässigkeiten aber nicht aus, um der Opposition ein Profil zu geben.
SRF News: Tusk Rede glich einer regelrechten Kampfansage. Wieso wählte er diese markigen Worte bei seiner Rückkehr auf das politische Parkett?
Roman Fillinger: Er wollte damit aufrütteln. Er wollte zeigen, dass die traditionell wichtigste Oppositionspartei Polens, die Bürgerplattform, wieder ein Zugpferd hat, und er wollte zeigen, dass dieses Zugpferd nach sieben Jahren auf hohen EU-Posten nicht müde, sondern kampfbereit ist.
Tusks Antrittsrede bot inhaltlich wenig Konkretes.
Die Bürgerplattform hat inhaltlich nur wenig mehr zu bieten als das Versprechen, gegen die Nationalkonservativen zu kämpfen, die seit sechs Jahren an der Macht sind. Ein Beispiel: Als Hunderttausende letzten Herbst gegen das schärfere Abtreibungsrecht auf die Strasse gingen, brauchte die Bürgerplattform ganze vier Monate, um sich zu einer schwammigen Position durchzudringen. Und auch Tusks Antrittsrede bot inhaltlich wenig Konkretes.
Als «Dinosaurier der Politik» hat ihn eine polnische Zeitung bezeichnet. Nützt ihm das innenpolitisch?
Seine Erfahrung, sein Charisma, sein internationales Ansehen nützen Tusk gewiss. Das gibt ihm Glaubwürdigkeit und Gewicht. Aber die Tatsache, dass er schon so lange in der polnischen Politik mitmischt, ist auch ein Handicap. Viele Jüngere aufseiten der Opposition wünschen sich nämlich einen Neuanfang.
Viele Jüngere aufseiten der Opposition wünschen sich einen Neuanfang.
Sie haben genug von dieser ewigen Feindschaft zwischen Donald Tusk und Jaroslaw Kaczynski, dem mächtigen Chef der polnischen Regierungspartei PiS. Sie würden sich wohl eher hinter dem Warschauer Stadtpräsidenten Rafal Kazimierz Trzaskowski scharen. Er hat bei der Präsidentschaftswahl 2020 fast so viele Stimmen geholt wie der Amtsinhaber. Andere sympathisieren mit Szymon Holownia, einem katholischen ehemaligen TV-Journalisten, der mit seiner Bewegung die Bürgerplattform inzwischen sogar überholt hat.
Wie reagiert die Regierungspartei auf die deutliche Provokation?
Mit erwartbarer Gehässigkeit. Kaczynski sagte, Tusk kehre einzig deshalb zurück in die polnische Politik, weil er zu faul sei für einen europäischen Job. Und, weil er Deutschland liebe. Dazu muss man wissen: Die Nationalkonservativen werfen Tusk immer wieder vor, er stelle deutsche Interessen über polnische. Das ist eine krude Anschuldigung, die die Nationalkonservativen immer wieder dadurch untermauern, dass Tusk Angehöriger der kaschubischen Minderheit ist. Ansonsten bringen sie eigentlich wenig Beweise für diese heftige Anschuldigung.
Welche Chancen hat Tusk, die Regierung in Bedrängnis zu bringen?
Die Opposition hat eine reelle Chance, die Nationalkonservativen in Bedrängnis zu bringen. Die Umfragewerte der Regierungspartei sind so schlecht wie schon lange nicht mehr. Aber sie ist immer noch klar die stärkste Partei im Land. Das heisst, die Bürgerplattform muss mit anderen Oppositionsparteien zusammenspielen, um sie zu schlagen.
Die Bürgerplattform muss endlich klarmachen, wofür sie steht.
Und das wird schwierig sein – wegen inhaltlichen Differenzen, aber auch, weil es verschiedene Oppositionspolitiker mit einem Führungsanspruch gibt. Und die Bürgerplattform muss endlich klarmachen, wofür sie steht. Diese Partei hat jetzt sechs Jahre lang versucht, alleine mit Stimmungsmache gegen die Regierungspartei zu punkten. Und sie hat ein ums andere Mal verloren.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.