Vor gut einer Woche wurde ein Lehrer in Frankreich brutal getötet, weil er mit seiner Klasse Mohammed-Karrikaturen besprochen und diese auch gezeigt hatte. Zahlreiche Personen wurden seither festgenommen. Die französische Justiz geht mit aller Härte gegen islamistische Strömungen im eigenen Land vor und will neue Gesetze auf den Weg bringen – um was es dabei geht, erklärt Frankreich-Korrespondent Daniel Voll.
SRF: Stehen all diese Verhaftungen und durchsuchten Gebäude direkt mit dem Lehrermord vor einer Woche in Verbindung?
Daniel Voll: Einen direkten Zusammenhang gibt es sicher beim Vater der Schülerin, der das Video gegen den ermordeten Lehrer ins Netz gestellt hat. Ebenfalls eine direkte Verbindung gibt es sicher auch zu der Moschee, die dieses Video übernommen hat und die inszwischen geschlossen wurde. In anderen Fällen gibt es zumindest indirekt eine Verbindung. Die Untersuchungsbehörden haben inzwischen eine ganze Reihe von Organisationen ins Visier genommen, die sie einem Netzwerk von radikalen Islamisten zuordnen.
Geplant ist ein neues Gesetz gegen Hass im Internet. Wer persönliche Informationen einer Person öffentlich macht und damit die Person in Gefahr bringt, soll strafrechtlich verfolgt werden können. Was hätte dieses Gesetz in dem vorliegenden Fall geholfen?
Die Justiz hätte sehr viel schneller gegen das Video des betreffenden Vaters sowie gegen die Moschee vorgehen können. Sie hätte nun eine einfachere Beweisführung gegen den Autor des Videos und die Leute, die es verbreitet haben.
Wie will man in der neuen Gesetzgebung verhindern, dass es keinen Konflikt zwischen Sicherheit und Meinungsäusserungsfreiheit gibt?
Es gibt zwei Gesetze. Das eine will die Regierung unmittelbar in Kraft setzen. Es verbietet nur die Nennung von Personen im Internet. Hierbei soll es sich nicht um Meinungsfreiheit handeln. Beim anderen Gesetz geht es um Hasskommentare im Internet. Das wird länger dauern. Hier braucht der Verfassungsrat vor allem eine genaue Definition, wann ein Kommentar mehr als eine Meinungsäusserung ist und wann er zu einer Gewaltaufforderung wird.
Frankreichs Zivilgesellschaft will sich nicht verbieten lassen, Mohammed-Karrikaturen zu zeigen. Die muslimische Gemeinschaft lässt sich derweil immer wieder provozieren. Ist das ein Problem der Integration?
Sicher auch, ja. Es betrifft aber längst nicht alle Muslime in Frankreich. Für die Organisation der muslimischen Gemeinden etwa sind diese Karrikaturen weniger ein Problem. Diese Woche hat die Organisation angekündigt, dass sie selber einen Aktionsplan gegen Radikalismus entwickeln will.
Der türkische Präsident Erdogan hat Macron Islamfeindlichkeit unterstellt. Frankreich hat daraufhin den Boschafter zurückberufen. Wie ist das zu deuten?
Erdogan hat Macron ja zudem vorgeschlagen, er solle sich von einem Arzt untersuchen lassen. Das wird als grobe Beleidigung gegen Macron angesehen. Zudem werden Erdogans Äusserungen als Einmischung in die inneren Angelegenheiten aufgefasst. Erdogan versuche Hass zu säen und die Muslime in Frankreich gegen den Staat aufzubringen. Das Verhältnis zwischen Frankreich und der Türkei ist nicht erst seit gestern belastet. Die Kritik von Erdogan wird vor dem Hintergrund gelesen, dass es bereits in den vergangenen Monaten im Mittelmeerraum zu Spannungen zwischen der Türkei und Frankreich kam, etwa in Bezug auf das Verhältnis zwischen der Türkei und Griechenland.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.