Verheerende Waldbrände in Griechenland und Schweden, Dürre in Pakistan und ein Dammbruch in Laos nach heftigen Regenfällen und Überschwemmungen. Klimaforscher Thomas Stocker warnt seit langem: Extremere Wetterphänomene werden sich wegen des Klimawandels häufen.
SRF News: Thomas Stocker, fühlen Sie sich in diesen Tagen bestätigt?
Thomas Stocker: Ich fühle mich betroffen, aber es ist auch eine Bestätigung dessen, was die Klimaforschung seit vielen Jahren sagt: Der Klimawandel zeigt sich nicht nur in der Erhöhung der Temperatur oder der Veränderung der Niederschläge. Sondern eben auch in der Häufigkeit und der Intensität von Extremereignissen.
Sie können aber nicht bei jedem einzelnen Ereignis sagen, dass es wegen des Klimawandels ist.
Das ist korrekt. Das einzelne Ereignis ist im Verhältnis zu den grösseren Veränderungen im Klimawandel sehr schwierig zuzuordnen. Aber die Statistik der Häufigkeiten von extremen Dürren und Trockenheit sowie Starkniederschlägen entspricht dem Muster, das die Modelle seit Jahren vorhersagen.
Wenn sich solche Phänomene häufen: Schärft dies das Bewusstsein?
Momentan ist das Bewusstsein durch die Katastrophen natürlich da. Es ist eine tragische Situation, dass die Wissenschaft nur dann gehört wird, wenn es wehtut, wenn einzelne Menschen und Regionen stark betroffen sind und es Todesfälle gibt.
Es ist eine tragische Situation, dass die Wissenschaft nur dann gehört wird, wenn es wehtut.
Die Forschung bietet das Fenster in die Zukunft. Wir können zeigen, was es bedeutet, wenn wir «business as usual» haben und die Erderwärmung weiter fortschreitet.
Kann das nicht Zufall sein?
Wir haben das einmal vor einigen Jahren ausgerechnet. Könnte es Zufall sein, dass die letzten 15 Jahre die wärmsten in den letzten 160 Jahren der Messung waren? Und da sehen wir: diese Wahrscheinlichkeit ist um ein Millionenfaches kleiner als die Chance, dass Sie einen Sechser im Lotto gewinnen.
Was kommt auf uns zu, wenn sich solche Extremereignisse weiter häufen?
Einen solch trockenen Sommer haben wir bereits 2003 gehabt. Es war ein extremer Sommer, den es in dieser Ausprägung in den letzten 500 Jahren nie gegeben hat. Das wird in Zukunft die neue Normalität sein.
Aber wir haben ja nicht nur trockene Gebiete. Wir haben zum Beispiel in Laos Gebiete, wo es extrem regnet.
Das ist ein Ausdruck des verstärkten Wasserkreislaufs. In bestimmten Gebieten haben wir mehr Verdunstung, die zu einer Austrocknung des Bodens führt und den entsprechenden Hitzewellen. In den höheren Breiten andererseits gibt es dann vermehrt Niederschläge, mit denen die Menschen und die Ökosysteme umgehen müssen.
Was bedeutet die extreme Hitze und Trockenheit für den Nahen Osten?
Diese Region kommt bald an die Grenze dessen, was man als lebensmögliche Umstände bezeichnet. Wenn die Temperatur sehr stark zunimmt und gleichzeitig mit einer hohen Feuchtigkeit auftritt, dann ist der menschliche Körper nicht mehr fähig, die Körpertemperatur unter 37 Grad zu halten. Und das wird gesundheitlich gefährlich. Es wird bald Regionen geben, wo ein Leben ohne Hilfsmittel wie Klimaanlagen nicht mehr möglich ist.
Sie haben in früheren Interviews gesagt, man müsse den Klimawandel auch als Ressourcenwandel verstehen. Was meinen Sie damit?
Der Klimawandel zeigt sich uns eben nicht nur in Grad Celsius und Millimeter pro Jahr Meeresspiegelanstieg. Er greift in fundamentale Bedürfnisse des Menschen und der Ökosysteme ein. Ressourcen wie Wasser sind gefährdet durch die Erwärmung. Aber auch das Land verringert sich, wenn wir einen Anstieg des Meeresspiegels haben.
Haben Sie das Gefühl, die Länder machen genug um diesen Ressourcenwandel zu bewältigen?
Ein erster wichtiger Schritt war das Abkommen in Paris vom Dezember 2015, das gesagt hat: Wir wollen die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber vorindustrieller Zeit, also vor etwa 150 Jahren, halten. Aber jetzt müssen die konkreten Massnahmen folgen. Das meint die Reduktion der Ursache: der Emission der fossilen Brennstoffe, die den Klimawandel verursacht.
Braucht es nicht auch eine starke Anpassung der Infrastruktur?
Selbstverständlich, ohne Anpassung geht es nicht. Bereits heute haben wir einen Klimawandel von etwa einem Grad Celsius – in der Schweiz ist das im Mittel ein 1,8 Grad wärmeres Klima gegenüber der vorindustriellen Zeit. Wir passen uns an diesen Klimawandel bereits an. Und das kostet. Und wird in Zukunft noch sehr viel mehr kosten.
Auf der iberischen Halbinsel ist es jetzt schon sehr trocken, das Bewässern von Feldern wird zunehmend schwierig. Sehen Sie da, dass man reagiert?
Das ist immer eine Frage der finanziellen Möglichkeiten eines Landes und der Möglichkeiten, eingreifen und implementieren zu können. Was allerdings nur dann möglich ist, wenn man weiss, dass diese Ressource auch wieder aufgefüllt wird. Und das ist die grosse Frage: ob da nicht grundsätzlich überdacht werden muss, ob die ökonomische Aktivität – zum Beispiel der Gemüseanbau – überhaupt noch möglich sein wird.
Häufig sind gerade von der Dürre arme Staaten betroffen, die sich solche Infrastrukturzahlungen gar nicht leisten können. Da ist die ganze Welt gefragt.
Das ist auch so vorgesehen in der Pariser Vereinbarung. Der Global Green Fund sollte jedes Jahr 100 Milliarden Dollar bereitstellen, um genau diese Probleme lösen zu können, die sich vor allem in den ärmsten Ländern, die gegenüber dem Klimawandel und den Ressourcenproblematiken am verletzlichsten sind, zu helfen. Nun ist es aber eine Tatsache, dass dieser Fond noch nicht genügend Geld hat und man auch nicht genau weiss, wie diese Gelder zu verteilen sind.
Aber auch wenn man dagegen ankämpft, würden Sie sagen: Wir müssen uns daran gewöhnen, dass es eben häufiger Dürren und Überschwemmungen gibt.
Das ist ganz klar so. Wir können das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Der Klimawandel ist bereits hier. Aber die Frage ist: Wollen wir uns anpassen an einen Klimawandel, der beschränkt ist oder wollen wir ihn völlig unbeschränkt weiterlaufen lassen. Mit Erwärmungen weltweit – vier, fünf Grad Celsius innerhalb der nächsten sechs bis sieben Jahrzehnte. Das könnte für die Schweiz und für viele Länder eine bedrohliche Lage darstellen.
Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.